Erasmus von Rotterdam war der uneheliche Sohn des Priesters Roger Gerard und einer Arzttochter. Der Name Roterodamus ersetzte später den Familiennamen, Desiderius war der Humanistenname. In Deventer und Herzogenbusch besuchte er Ordensschulen und trat nach dem Tod des Vaters in das Augustiner*-Kloster Steyn bei Gouda ein. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1492 wurde er Sekretär des Bischofs von Cambrai, der ihn zum Theologiestudium nach Paris schickte. 1495 erhielt Erasmus ein Stipendium für ein Studium. Er studierte in Paris Theologie, um das Doktorat zu erwerben. 1506 promovierte er in Turin zum Doktor der Theologie. Im Rahmen seiner theologischen Studien befasste er sich mit der griechischen Sprache und entwickelte sich immer mehr zum Kritiker der erstarrten Scholastik. Da das Klosterleben seinem Wesen nicht entsprach, widmete sich Erasmus einem weltlichen Broterwerb und wurde später vom Papst von seinen Ordensgelübden entbunden.
Ab 1499 setzte er seine wissenschaftlichen Studien auf zahlreichen Reisen nach Italien, England, in die Schweiz und die Niederlande fort. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Privatlehrer und Dozent. Als Privatlehrer entwarf er etliche Lehrtexte, die erst später veröffentlicht wurden. Er pflegte eine umfangreiche Korrespondenz (über 1 500 seiner Briefe sind erhalten) mit bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit. Sein Lateinschüler Lord Mountjoy, William Blount, lud ihn 1499 nach England ein. Während seiner vier Reisen nach England lernte Erasmus Befürworter der neuen humanistischen Bildung kennen, darunter John Colet *, der die Saint Paul's School in London gründete und unter dessen Einflusss das Neue Testament verstärkt in den Mittelpunkt seiner Studien rückte. Er machte die Bekanntschaft des Humanisten und Lordkanzlers Thomas More *. Einer alten Überlieferung nach sollen sich Erasmus und More an der Tafel des Oberbürgermeisters von London kennen gelernt haben und über ihr Gespräch miteinander so überrascht gewesen sein, dass Erasmus sagte: "Ihr müsst More sein oder niemand" und More darauf: "Ihr müsst Erasmus sein oder der Teufel." Als Erasmus später sein Buch "Das Lob der Torheit" geschrieben hatte, widmete er es neben dem Erzbischof von Canterbury William Warham auch Thomas More "Lordkanzler von England, dessen Seele reiner war als der reinste Schnee, dessen Genius so groß war, wie England nie einen hatte - ja nie wieder einen haben wird, obgleich England eine Mutter großer Geister ist." In England lebte Erasmus nach seinem halbjährigen Besuch 1499/1500 erstmals etwa ein Jahr 1505 bis 1506, dann nach dem Studienaufenthalt in Italien 1509 bis 1514, endlich mehrmals kurzzeitig 1515 bis 1518 in London, an den Universitäten und kirchlichen Zentren, so Canterbury.
Zurückgekehrt gab Erasmus 1500 sein erstes Buch, 1508 in erweiterter Fassung, die „ Adagia “, heraus. Diese Sammlung lateinischer Sprüche zur Pflege eines eleganten Stils ergänzte er in weiteren Ausgaben um griechische Weisheiten, bis 1536 die letzte Ausgabe 3260 kommentierte Redewendungen enthielt. Mit dieser Sammlung begründete er seinen Ruhm. Während eines Aufenthalts in Italien erwarb er an der Universität Turin den Doktorgrad. In Basel war er mit dem bedeutenden Buchdrucker und Verleger Johann Froben freundschaftlich verbunden, der seine Werke herausgab.
In vielen seiner frühen Werke übte Erasmus Kritik an kirchlichen Misständen und wandte sich gegen die rationalistisch geprägte Scholastik der Kleriker. Als Befürworter einer Rückkehr zu der einfachen christlichen Ethik gab er sich in seinem Werk „Enchiridion militis christiani“ (Handbüchlein des christlichen Soldaten, 1503) und der berühmten satirischen Schrift „Morias enkomion seu laus stulticiae“ (Das Lob der Torheit, 1509) zu erkennen. Mit seinem „Novum instrumentum omne“ (1516) machte er den griechischen Text des Neuen Testaments in einer neuen lateinischen Übersetzung und mit kritischen Kommentaren versehen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Sein Text war sogar der lateinischen Vulgata * an Genauigkeit überlegen. Da Erasmus mit diesen Werken großen Einfluss auf das theologische und geistige Leben seiner Zeit ausübte, gilt er als Vorläufer der Reformation.
Als Erasmus 1514 wieder auf den Kontinent übersiedelte, suchte er einen Platz bei Gönnern. In dieser Übergangssituation erreichte ihn der Rückruf seines Priors ins Kloster, den er ablehnte. Er blieb in Basel und begann mit Froben sofort ein umfangreiches Druckprogramm: Eine Adagia -Ausgabe, neue Plutarch-Übersetzungen und Seneca-Texte, vor allem die Editionen der Hieronymus-Briefe und des Neuen Testaments. Auf seinen Reisen durch das Rheinland seit 1514 zeigte sich, wie berühmt Erasmus war. Er wurde als Licht der Bildung gefeiert, welches nun auch in Deutschland aufscheine. In Mainz und Frankfurt traf er Reuchlin * und Hutten *.
Die Jahre seines frühen Ruhmes von 1515 bis 1518 waren außerordentlich unruhig, kein Angebot entsprach seinen Ansprüchen an Unabhängigkeit. Kanzler von Brabant verschaffte ihm 1516 den Titel eines Ratgebers beim jungen Karl V. Erasmus verfasste dazu die Erziehungslehre für Prinzen, „ Institutio Principis Christiani “, doch mochte er nicht mit dem zum König gewählten Karl nach Spanien übersiedeln. Wegen Luther kam er zunehmend mit der Theologischen Fakultät in Konflikte. Als sich 1517 der Durchbruch der Reformation abzeichnete, schloss sich Erasmus keiner der Parteien. Deswegen misstrauten ihm zuletzt sowohl die Katholiken wie auch die Anhänger der Reformation. So blieb Erasmus zwar beim katholischen Glauben, unterstützte jedoch auch häufig Ziele der Reformation. Durch seine beständige Kritik an kirchlichen Missständen und an abergläubischen Überzeugungen in seinem Werk „Familiarum colloquiorum formulae, auch Colloquia familiaria“ (Gespräche im vertrauten Kreis, 1518), einem seiner umstrittensten Werke, das er ursprünglich verfasst hatte, um Lateinschülern brauchbare Formulierungen und Wendungen zur Verfügung zu stellen, setzte er sich dem Verdacht aus, Lutheraner zu sein. Um dieser Verdächtigung entgegenzuwirken, legte Erasmus seine theologische Position in dem Werk „De libero arbitrio diatribe sive collatio“ (Vom freien Willen, 1524) dar, in dem er sich gegen Luther wandte. Zusammen mit dem Verleger Froben brachte Erasmus während dieser Zeit mehrere wissenschaftliche Ausgaben von Werken der Kirchenväter heraus.
Im Herbst 1521 siedelte er nach Basel über. Er reiste kaum mehr; sein Leben bestand aus Schreiben und Edieren der zahlreichen begonnenen und entworfenen Unternehmen. Mit seinem sechsjährigen "Exil" von 1529 bis 1535 im katholischen Freiburg wich Erasmus den religionspolitischen Wirren aus, die ein ruhiges Studieren unmöglich machten, und protestierte gegen Basels Übergang zur Reformation. Doch kehrte er im Sommer 1535 dorthin zurück und lebte bis zu seinem Tod in der Obhut der Familie Froben. Das letzte Werk, das er zum Druck bringen konnte, war seine große Predigtlehre „ Ecclesiastes sive de ratione concionandi “. Seit seiner Niederlassung in Basel bereitete Erasmus die Herausgabe seiner Gesammelten Werke vor.
Obgleich Erasmus oft als Wegbereiter der Reformation angesehen wird und seine Werke später vom Konzil von Trient verboten wurden, war sein Kampf gegen Ignoranz und Aberglauben eher von humanistischen als von theologischen Überzeugungen getragen. Trotz des Verbots seiner Werke durch die katholische Kirche und der ablehnenden Haltung vieler Protestanten gegenüber seinen Schriften, übte er als zentrale Figur des Humanismus großen Einfluss auf die europäische Geistesgeschichte aus, besonders auf Philosophen wie Voltaire. Erasmus war kein religiöser Reformator wie Martin Luther und Johannes Calvin * und hielt sich von theologischen Diskussionen fern. Er verstand sich stets als Gelehrter und Literat und gehörte als Humanist zu den fortschrittlichen Denkern seiner Zeit. Die Universität seiner Heimatstadt Rotterdam ist nach Erasmus benannt, ein europäisches Studenten - Austauschprogramm trägt seinen Namen.