Lion Feuchtwanger

 

    Lion Feuchtwanger enjoying a pleasant moment with one of his cats. Photograph by Florence Homolka. Feuchtwanger Memorial Library.      

Lebenslauf in Worten


Lion Feuchtwanger wurde als Sohn des jüdischen Fabrikanten Sigmund Feuchtwanger und dessen Frau Johanna am 7. Juli 1884 in München geboren. Im Jahr 1903 machte Lion Feuchtwanger das Abitur. Ab 1903 studierte er in München und Berlin Germanistik, Geschichte und Philosophie. Hier begann er mit seinen ersten literarischen Versuchen.

1907 promovierte er zum Dr. phil. mit einer Arbeit über Heinrich Heines "Rabbi von Bacherach”. Wegen der damaligen Beschränkungen für Juden an deutschen Hochschulen und Universitäten hatte er kein Recht auf Habilitation. Er arbeitete ab 1907 zunächst als Theaterkritiker und Dramaturg in München.

Im Jahr 1912 heiratete er Marta Loeffler. 1914 unternahm Feuchtwanger zusammen mit seiner Frau eine Reise nach Tunesien,  wo er nur kaum einer Internierung durch die Franzosen entging. Nach Kriegsausbruch warnte Feuchtwanger als einer der ersten deutschen Autoren vor patriotischer Hysterie - in Essays und bald auch in Bearbeitungen von Dramen der Weltliteratur wie "Die Perser" (nach Aischylos, 1917) und "Friede. Ein burleskes Spiel", "Nach den Acharnern" und der "Eirene" des Aristophanes (1918). Er äußerte sich in den Theaterstücken kritisch gegenüber dem überschwänglichen Patriotismus der Deutschen und gegen den Krieg. Doch das Zeitstück "Die Kriegsgefangenen" (1919), das um Verständnis für den französischen „Erbfeind“ warb, wurde von der Zensur unterdrückt. Sein kurzer Militärdienst endete wegen Kurzsichtigkeit mit der Entlassung.

1918 erlebte er in München die Revolution und arbeitete an dem dramatischen Roman "Thomas Wendt”. 1920 begegnete er dort Bertold Brecht und Marieluise Fleißer*. Aus dieser Begegnung wurde eine freundschaftliche Beziehung, die in eine gemeinsame Tätigkeit mündete. Feuchtwanger realisierte einige Theaterprojekte mit Brecht zusammen, der aus dieser Zusammenarbeit Einflüsse in sein episches Theater miteinfließen ließ. So bearbeiteten die beiden 1924 das Stück "Leben Eduards des Zweiten von England”.

Im Jahr 1913 wurde Feuchtwangers historischer Roman "Die hässliche Herzogin Margarete Maultasch" * veröffentlicht. 1925 siedelte er nach Berlin über und 1927 wurde sein Stück "Die Petroleuminsel” uraufgeführt. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde Feuchtwanger ausgebürgert. Sein Haus in Berlin wurde durchsucht, ausgeplündert und beschlagnahmt, wobei auch seine Manuskripte verloren gingen.

Am 30. Januar 1933, dem Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, befand sich Lion Feuchtwanger in der US-Hauptstadt Washington als Ehrengast einer Abendgesellschaft des deutschen Botschafters. Tags darauf warnte der Diplomat den Schriftsteller telefonisch davor, nach Deutschland zurückzureisen. Feuchtwanger befolgte diesen Rat. 1936-1939 war er Mitherausgeber der Moskauer Exilzeitschrift "Das Wort". Bei seiner Moskaureise 1936-1937 wurde er von Stalin empfangen, erlebte auch den Schauprozess gegen Karl Radek *. Trotzdem bekannte sich Feuchtwanger in seinem Reisebericht "Moskau 1937" (1937) zum Sowjetkommunismus und löste damit heftige Debatten unter den deutschen Emigranten aus.

Von 1939 bis 1940 war er in einem Internierungslager im französischen Aix-en-Provence untergebracht. Feuchtwanger gelang es, aus dem Lager zu fliehen. Die weitere Flucht durch das faschistische, aber neutrale Spanien bis nach Lissabon ging auf eine direkte Einmischung des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt und vor allem von dessen Frau Eleanor zurück. Feuchtwanger reiste mit Rotkreuz-Dokumenten, die auf den Namen "Wetcheek" (feuchte Wange) ausgestellt waren. Ab 1941 lebte er in der Nähe von Los Angeles.

Feuchtwanger hatte im Gegensatz zu vielen seiner Schriftstellerkollegen auch außerhalb Deutschlands eine große Gemeinde von Leserinnen und Lesern, was ihm materielle Probleme ersparte und auch ermöglichte, in den USA weniger bekannten deutschen Dichtern dabei zu helfen. In seiner Villa Aurora in den Hügeln von Pacific Palisades in Los Angeles gingen Franz Werfel*, Bert Brecht, die Manns, Charlie Chaplin und andere Exilanten ein und aus. Ein geregelter Arbeitsalltag musste allerdings eingehalten werden, darauf legten die Feuchtwangers Wert. Gleich nach seiner Ankunft in den USA schrieb er den Bericht "Der Teufel in Frankreich" über seine Haft in Les Milles.  Als der republikanische Senator Joseph McCarthy eine Hetzjagd auf Sozialisten und Kommunisten initiierte, geriet auch Lion Feuchtwanger ins Visier der Verfolger und man verweigerte ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Lion Feuchtwangers literarischen Schwerpunkt bildete der historische Roman. Er verstand ihn nicht als Darstellung oder Nachzeichnung der Geschichte, sondern wollte damit allgemein gültige Wahrheiten mitteilen, die er  an historischen Stoffen und Figuren sowie an aufgezeigten Konflikten deklarierte. Den ersten großen Erfolg brachte ihm 1818  das Drama "Jud Süß”. Danach erweiterte er es als Roman, der 1925 veröffentlich wurde. Im Schicksal des Hoflieferanten Süß-Oppenheimer *, in seinem steilen Aufstieg im Württemberg des 18. Jahrhunderts und seinem Sturz, entdeckte Feuchtwanger das Modell für das Dasein eines jüdischen Staatsmannes. Die Spannung zwischen Ost und West, zwischen „Geist“ und „Tat“, zwischen Betrachtung und Handeln  faszinierte ihn.  
Der erste zeitgeschichtliche Roman Feuchtwangers "Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz” (1930) zeigt nicht nur das Emporkommen der Nazis in Bayern, sondern erläutert zugleich die sozialpsychologischen Voraussetzungen und das Funktionieren der Verbindung zwischen Politik, Justiz, Großindustrie und der Kriminalität der deutschen Bürger. "Erfolg” ist ein Höhepunkt im literarischen Werk Feuchtwangers. Die zeitgeschichtlichen Romanwerke "Erfolg”, "Die Geschwister Oppenheim” (1933) und "Exil” (1940) fasste er später zusammen zur Trilogie "Der Wartesaal” zusammen. 1936 erschien die Satire auf Hitler "Der falsche Nero”. Die Josephus-Trilogie aus den Werken "Der jüdischen Krieg” (1932), "Die Söhne” (1935), und "Der Tag wird kommen” (1945) nimmt eine zentrale Stellung im Gesamtwerk von Lion Feuchtwanger ein. Im Zentrum befindet sich das Schicksal des jüdischen Volkes  am Beispiel des Schriftstellers Josephus Flavius* in einer nichtjüdischen Umgebung. 

Im Jahr 1945 wurde die Zusammenarbeit mit Bert Brecht wieder aufgenommen, es handelte sich dabei um das Stück "Die Geschichte der Simone Machard”. 1948 entstand das Stück ”Wahn oder Der Teufel in Boston” über die Hexenverfolgung in Massachusetts. Mit den beiden Werken "Die Jüdin von Toledo” und "Jefta und seine Tochter” wandte sich Feuchtwanger wieder dem Schicksal des jüdischen Volkes zu. Mit dem Roman "Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis" (1951), in dem der Autor nach eigenen Worten den Weg Francisco de Goyas vom "durchschnittlichen Maler zum politischen Künstler" beschreibt, und mit "Die Jüdin von Toledo" (1955) erreichte Feuchtwanger in den USA große Erfolge. Zu seinen weiteren Werken zählen unter anderem "Simone” (1944), "Die Brüder Lautensack” (1945), "Waffen für Amerika” (1947), "Narrenweisheit oder Tod und Verklärung des Jean-Jacques Rousseau” (1952), "Die Witwe Capet” (1956).

Seine Geburtsstadt zeichnete ihn im Juli 1957 mit dem Literaturpreis der Stadt München aus. Feuchtwanger, der befürchtete, ebenso wie sein Freund Charlie Chaplin nicht mehr in die USA zurückkehren zu dürfen, wenn er sich ins Ausland begab, nahm die Ehrung nicht persönlich entgegen. Der Münchner Stadtrat hatte sich von ihm später distanziert, weil Feuchtwanger der Sowjetunion zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution gratuliert hat. Lion Feuchtwanger starb am 21. Dezember 1958 in Los Angeles. Seine Grabstätte befindet sich in Santa Monica, Woodlawn Friedhof.


Türme von hebräischen Büchern verbrannten, und Scheiterhaufen waren aufgerichtet, hoch bis in die Wolken, und Menschen verkohlten, zahllose, und Priesterstimmen sangen dazu: Gloria in excelsis Deo. Züge von Männern, Frauen, Kindern schleppten sich über den Platz, von allen Seiten; sie waren nackt oder in Lumpen, und sie hatten nichts mit sich als Leichen und die Fetzen von Bücherrollen, von zerrissenen, geschändeten, mit Kot besudelten Bücherrollen. Und ihnen folgten Männer im Kaftan und Frauen und Kinder in den Kleidern unserer Tage, zahllos, endlos.

Um mit Erfolg für den Frieden kämpfen zu dürfen, muss man bewiesen haben, dass man es nicht aus Feigheit tut, aus Drückebergerei, sondern dass man gewillt ist, wenn es not tut, für die Sache des Friedens zu sterben.

   

Lebenslauf in Daten

7. Juli 1884 Lion Feuchtwanger wird als Sohn des jüdischen Fabrikanten Sigmund Feuchtwanger und dessen Frau Johanna in München geboren.
ab 1903 studiert er Germanistik und Geschichte in München. In dieser Zeit verkehrt er in den Kreisen der Münchener Bohème und verfasst seine ersten Dramen, Erzählungen und Theaterkritiken.
1907 Dissertation über Heinrich Heines "Rabbi von Bacharach".
ab 1907 Arbeit als Dramaturg am Theater in München.
1912 Heirat mit Marta Loeffler, die ein Kind von ihm erwartet. Seine Tochter stirbt kurz nach der Geburt.
1914 Feuchtwanger wird auf einer Tunesien-Reise mit seiner Frau vom Beginn des Ersten Weltkriegs überrascht. Mit Mühe entgeht er einer französischen Internierung.
ab 1914 Militärdienst in München, aus dem er krankheitshalber vorzeitig entlassen wird. Feuchtwangers Theaterstücke bekommen in dieser Zeit einen politischen Inhalt: Er wird einer der frühen Kriegsgegner.
1918 Arbeit an dem dramatischen Roman "Thomas Wendt". Veröffentlichung des Dramas "Jud Süß", das er kurze Zeit später trotz großen Erfolges zurücknimmt und zum Roman erweitert, den zunächst niemand verlegen will.
1923 Publikation des historischen Romans "Die hässliche Herzogin Margarete Maultasch" über jene Tiroler Gräfin, die sich vergeblich bemühte, das Nachteil ihrer Hässlichkeit und ihre Außenseiterrrolle zu überwinden.
1924 Zusammen mit seinem Freund Bertolt Brecht Bearbeitung des Stückes "Leben Eduards des Zweiten von England".
1925 Herausgabe des Romans "Jud Süß". Feuchtwanger erzählt darin den Fall des Joseph Süß Oppenheimer, des Finanzberaters eines württembergischen Herzogs, der 1738 in einem aufsehenerregenden Prozess zum Tode verurteilt und grausam hingerichtet wurde. Für Feuchtwanger zeigen sich in dieser Geschichte Parallelen zum Leben Walther Rathenaus und zur Frage nach der Möglichkeit einer Assimilierung der Juden in Deutschland. Übersiedlung nach Berlin. Er zieht sich aus dem Theaterleben zurück.
1927 Uraufführung des Stückes "Die Petroleuminsel".
1930 Sein erster zeitgeschichtlicher Roman " Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz" erscheint. Er schildert die Geschichte Bayerns von 1921 bis 1924 und geht auch auf den Putsch Adolf Hitlers vom 9. November 1923 ein.
1932 Publikation des ersten Bandes der Trilogie "Josephus" unter dem Titel "Der jüdische Krieg".
1933 Während der nationalsozialistischen Machtübernahme hält sich Feuchtwanger aufgrund einer Vortragsreise in den USA auf. Er kehrt nicht mehr nach Deutschland zurück, sondern lässt sich in Frankreich nieder. Sein Haus in Berlin wird von den Nationalsozialisten durchsucht, ausgeplündert und beschlagnahmt. Zahlreiche Manuskripte gehen dabei verloren. Feuchtwanger wird als Schriftsteller politisch tätig: Sein Roman "Die Geschwister Oppenheim" schildert das Schicksal einer deutsch-jüdischen Familie in Berlin zur Zeit des NS-Regimes.
1935 Der zweite Band der Trilogie "Josephus" erscheint unter dem Titel "Die Söhne".
1936 Die Hitler-Satire "Der falsche Nero" erscheint.
1940 Feuchtwangers Hinwendung zum Sozialismus manifestiert sich in dem Roman "Exil". Während des Zweiten Weltkriegs wird er in dem Lager Les Milles interniert, aus dem er nach kurzer Zeit entkommt. Er lebt versteckt in Marseille. Feuchtwanger flieht über Spanien und Portugal nach Los Angeles.
1942 In dem Bericht "Unholdes Frankreich" hält er seine Lagererfahrungen fest
1943 Übersiedlung nach Pacific Palisades.
1945 Zusammenarbeit mit Brecht an "Die Geschichte der Simone Machard".
ab 1945 Nach dem Krieg wendet er sich wieder dem historischen Roman zu.
1948 Im Zuge der Verfolgung von Sozialisten und Kommunisten unter Joseph McCarthy wird Feuchtwanger des Kommunismus verdächtigt. Da die USA ihm die Staatsbürgerschaft verweigern, verlässt er das Land nicht mehr. Seine politischen Schwierigkeiten bilden den Anstoß zu dem Theaterstück "Wahn oder Der Teufel in Boston" über die Hexenverfolgung in Massachusetts.
1954 Der letzte Band der Trilogie "Josephus" wird unter dem Titel "Der Tag wird kommen" auf deutsch veröffentlicht.
1955-1957 Feuchtwanger wendet sich mit "Die Jüdin von Toledo" und "Jefta und seine Tochter" wieder verstärkt der jüdischen Tradition zu.
21. Dezember 1958 Lion Feuchtwanger stirbt in Los Angeles.

         

 

 
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