Karl Theodor Jaspers

 

   

Lebenslauf in Worten


Karl Jaspers wurde am 23. Februar 1883 als Sohn des wohlhabenden Bankdirektors Carl Jaspers und seiner Frau in Oldenburg geboren. Auf väterlichen Wunsch studierte er Rechtswissenschaften. In diesen Jahren wurde bei ihm eine unheilbares Lungen- und Herzleiden festgestellt, wodurch er sein Leben lang größtenteils  liegend verbringen musste. Das musste einer der Gründe sein, warum er Medizin in Berlin, Göttingen und Heidelberg studierte und 1908 sein Studium mit dem Staatsexamen beendete. 1909 lernte er den Soziologen Weber kennen, der ihn stark beeinflusste, ein Jahr später heiratete er Gertrud Mayer.

1909 promovierte er zum Dr. med. Seine Promotionsarbeit verfasste Jaspers über das Thema "Heimweh und Verbrechen". Im gleichen Jahr machte er die Bekanntschaft des renommierten Soziologen Max Weber, der ihn in seinem Denken stark beeinflusste. Im Jahr 1910 heiratete Jaspers die Nervenpflegerin Gertrud Mayer.

Fünf Jahre nach der Promotion habilitierte sich Jaspers. Der Titel seiner Habilitationsarbeit lautete "Allgemeine Psychopathologie" und bot einen methodischen Überblick über dieses Fachgebiet.   Bis 1915 war er Mitarbeiter in der psychiatrischen Klinik Heidelberg. 1916 begann er mit seiner Lehrtätigkeit als Professor für Psychologie an der Heidelberger Universität, wo er die psychologische Analyse philosophischer Weltbilder und Wertungen vorantreibt. Jaspers widmete sich der psychologischen Analyse und Deutung von philosophischen Anschauungen. 1919 erschien seine zweite große Arbeit mit dem Titel "Psychologie der Weltanschauungen". In demselben Jahr begann seine langjährige Freundschaft mit Heidegger.

1920 wechselte er als Extraordinarius auf den Lehrstuhl für Philosophie und wurde 1921 Ordinarius. Zu seinen Schülern zählte unter anderem die Philosophin Hannah Arendt. Im Jahr 1931 erschien seine Schrift "Die geistige Situation unserer Zeit", in der er erklärte, dass Wissenschaftlichkeit nicht der Ursprung von Wahrheit sei. Im Jahr darauf wurde sein dreibändiges Hauptwerk "Philosophie" veröffentlicht. Darin befasste sich Jaspers mit den grundsätzlichen Anliegen der Existenzphilosophie; es sei, seiner Überzeugung nach, unmöglich, die Existenzerfahrung zu objektivieren, dennoch müsse die Existenzherstellung als philosophische Aufgabe betrachtet werden.

Nach der faschistischen Machtübernahme erhielt er Lehrverbot, weil seine Ehefrau Jüdin war. Er wurde von der Universitätsverwaltung ausgeschlossen und 1937 von seinen Aufgaben entbunden. Das Ehepaar Jaspers blieb trotz in Deutschland, obwohl es gefährlich war. Im Jahr 1943 wurde er vom NS-Regime mit einem  Schreibverbot belegt.

Ab 1945 beteiligte sich Jaspers als Professor am Wiederaufbau der Heidelberger Universität. Er  gründete die Zeitschrift "Die Wandlung", die eine geistige und moralisch Neuerung zum Ziel setzte. Im Jahr 1947 erschien der erste Band von Jaspers Werk "Von der Wahrheit" über die philosophische Logik. Aus Enttäuschung über die politische Entwicklung seiner Heimat und weil seine Frau nicht mehr in Deutschland bleiben wollte, verließ Jaspers Deutschland und wirkte ab 1948 bis 1961 als Professor für Philosophie in Basel,  wo er bis zu seiner Emeritierung 1962 lehrte. 1958 erhielt Jaspers den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 1959 den Erasmuspreis. 1960 schrieb Jaspers: "Philosophieren ist das, was in jedem Menschen geschieht. Der Philosoph von Beruf kann das nur zu größerer Klarheit bringen". Er entstammte keiner philosophischen Schule. Als Zeitgenosse von Max Weber und Martin Heidegger begründete er eine eigene Lehre, die Existenzphilosophie, und lehnte alle Ideologien ab.

1967 erhielt er in Basel das Schweizer Bürgerrecht. Karl Jaspers sah es als eine Pflicht und Verantwortung an, sich zu politischen Fragen zu äußern. Er begründete die Einmischung mit der Verquickung von Philosophie und Politik vor dem Hintergrund der menschlichen Freiheit. Zeit seines Lebens gab Jaspers seine Meinung zu politischen Angelegenheiten ab, besonders in diejenigen von Deutschland. Aber auch zu Fragen des deutschen Wissenschaftsbetriebes äußerte er sich öffentlich. Jaspers Einmischungen gaben immer wieder Anlass zur Kritik. Davon unberührt gilt er - neben Martin Heidegger - als der Begründer der deutschen Existenzphilosophie. 1957 wurde Jaspers erster Band zur Weltgeschichte der Philosophie unter dem Titel "Die großen Philosophen"  veröffentlicht. Darin teilte er die Philosophiegeschichte in drei Hauptbereiche ein und verneinte sie als einen progressiven Prozess. 1964 nahm Jaspers den Orden "Pour le mérite" der Friedensklasse entgegen.

Am 26. Februar 1969 starb Karl Jaspers in Basel. Nach seinem Tod geriet Jaspers in Vergessenheit. Doch seit den 80er Jahren wurde er  international zunehmend gewürdigt. Arendt würdigte Jaspers als den in jeder Hinsicht würdigsten Nachfolger, den Kant je gehabt habe. Ein anderer Schüler, der Basler Philosoph Saner ordnete Jaspers Nachlaß, der  über 30 Bücher, etwa 35.000 Blätter mit einigen tausend Briefen umfaßt, und gab ihn heraus.



Ich bin dankbar, weiß aber nicht, aus welchem Grund der Dinge. Dankbar bin ich konkret den Menschen, die ich liebe in ihrem Adel. Viele waren mir wohlgesinnt von Jugend an, haben mir viel Hilfe geleistet bis heute. Aber darüber hinaus ist das Dunkel, in dem wir nichts wissen.

 
 

Goethe hat im Alter gesagt: "Mach’s einer nach und breche nicht den Hals." Mit Goethe kann man sich nicht vergleichen, aber eines ist vergleichbar: wenn ich auf mein Leben (wie gewiß viele andere auf das ihrige) zurückblicke, so ist mir bewußt: ich könnte es selbst nicht wiederholen. Die Umstände, die Glücksfälle, die hilfreichen Menschen waren zufällig. Im Rückblick, im ganzen gesehen, erscheint in der Reihe der Zufälle ein Sinn.

 
 

Lebenslauf in Daten

23. Februar 1883 Geburt von Karl Theodor Jaspers als erstes von drei Kindern in Oldenburg
1892-1901 Humanistisches Gymnasium Oldenburg
1901 Abitur, Besuch bei Dr. Albert Fraenkel in Badenweiler. Diagnose der Krankheit: Bronchiektasen mit sekundärer Herzinsuffizienz
1901-1902 Studium der Jurisprudenz in Heidelberg
1902 Studium der Jurisprudenz in München. Graphologieunterricht bei Ludwig Klages. 7-wöchige Italienreise nach Mailand, Genua, Rom, Florenz, Venedig und Verona. Entschluss, Medizin zu studieren
1902-1903 Studium der Medizin in Berlin
1903-1906 Studium der Medizin in Göttingen. Abschluss des Medizinstudiums
1907 Lernt Gertrud Mayer über ihren Bruder Ernst kennen
1907-1908 Staatsexamen
1908 Promotion zum Dr. med. Dissertation „Heimweh und Verbrechen“
1909 Approbation zum Arzt. Erste Begegnung mit Max Weber
1909-1915 Volontärassistent an der Heidelberger Psychiatrischen Klinik
1910 Heirat mit Gertrud Mayer, Eifersuchtswahn.
1911 bekommt vom Springer Verlag den Auftrag, das Lehrbuch der Psychopathologie zu schreiben  „Zur Analyse der Trugwahrnehmungen (Leibhaftigkeit und Realitätsurteil)“
1912 Die Trugwahrnehmungen. Kritisches Referat „Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie“
1913 Habilitation bei Wilhelm Windelband für Psychologie.
1916 Extraordinarius für Psychologie in Heidelberg
1919 „Psychologie der Weltanschauungen“
1920 Beginn der Freundschaft mit Martin Heidegger. Extraordinarius der Philosophie in Heidelberg (Nachfolge Hans Driesch). Tod von Max Weber
1921 Rufe nach Greifswald und Kiel abgelehnt. Persönliches Ordinariat für Philosophie in Heidelberg. Ehrenmitglied der Niederländischen Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie
1922 Ordinarius für Philosophie in Heidelberg. Korrespondierendes Mitglied des Vereins für angewandte Psychopathologie und Psychologie Wien. „Strindberg und van Gogh“. Versuch einer pathographischen Analyse unter vergleichender Heranziehung von Swedenborg und Hölderlin
1928 Ruf nach Bonn abgelehnt
1931 Tod des Bruders (Suizid). „Die geistige Situation der Zeit“
1932 „Philosophie“ in 3 Bänden: „Philosophische Weltorientierung“; „Existenzerhellung“; „Metaphysik“.
1933 Ausschluss aus der Universitätsverwaltung
1935 legt die Geschäftsführung des Seminars nieder, weil er völlig isoliert ist. „Vernunft und Existenz. Fünf Vorlesungen“
1936 „Nietzsche. Einführung in das Verständnis seines Philosophierens“
1938 Publikationsverbot. „Existenzphilosophie. Drei Vorlesungen“
1939 Einladung nach Paris, lehnt ab
1940 Tod des Vaters
1941 Tod der Mutter
1941-1942 Einladungen als Gastdozent. Ausreiseverbot für die Frau, lehnt ab
1945 Senator der Universität Heidelberg
1945-1949 Mitwirkender an der Monatsschrift „Die Wandlung“
1946 Ehrensenator. „Allgemeine Psychopathologie. Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage“.  „Nietzsche und das Christentum“
1947 Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main  „Von der Wahrheit: Philosophische Logik. Erster Band“
1948 Ruf an die Universität Basel angenommen. Übersiedlung nach Basel. „Der philosophische Glaube“
1949 Polemik von Ernst Robert Curtius gegen Jaspers’ Goethe-Interpretation. „Vom Ursprung und Ziel der Geschichte“
1950 „Einführung in die Philosophie. Vernunft und Widervernunft in unserer Zeit“
1951 „Rechenschaft und Ausblick: Reden und Aufsätze“
1953 Dr. phil. honoris causa der Universität Heidelberg, Ehrenmitglied der Gesellschaft deutscher Neurologen und Psychiater, Ehrenmitglied der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie Wien. „Leonardo als Philosoph“
1954 „Die Frage der Entmythologisierung“
1955 „Schelling. Größe und Verhängnis“
1957 „Die großen Philosophen. Erster Band“
1958 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Ehrenmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences in Boston. „Die Atombombe und die Zukunft des Menschen. Politisches Bewusstsein in unserer Zeit“, „Philosophie und Welt: Reden und Aufsätze“
1959 Erasmuspreis der niederländischen Stiftung Praemium Erasmianum. Dr. h.c. der Universität Paris, Dr. h.c. ès Lettres der Universität Genf
1960 „Freiheit und Wiedervereinigung. Über Aufgaben deutscher Politik“
1961 Emeritierung. „Die Idee der Universität“ (Neufassung)
1962 Dr. med. h.c. der Universität Basel. „Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung“
1963 Preis der Oldenburg Stiftung, Ehrenbürger der Stadt Oldenburg, Ehrenmitglied der Gesellschaft für Forensische Medizin Madrid, Ordensauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt
1964 Orden pour le mérite, Ehrenmitglied der Royal Medico-Psychological Association London, Mitglied der Académie Royale Belgien, Ehrenmitglied der Athener  Akademie 
1965 Internationaler Friedenspreis Lüttich. „Kleine Schule des philosophischen Denkens“, „Hoffnung und Sorge. Schriften zur deutschen Politik 1945-1965“
1966 Ehrenmitglied der American Psychopathological Association. „Wohin treibt die Bundesrepublik? Tatsachen, Gefahren, Chancen“
1967 Erwirbt das Basler Bürgerrecht und gibt die deutschen Pässe zurück.  „Schicksal und Wille: Autobiographische Schriften“. Philosophische Aufsätze
1968 „Aneignung und Polemik: Gesammelte Reden und Aufsätze zur Geschichte der Philosophie“
1969 Tod am 26. Februar, dem 90. Geburtstag seiner Frau.

         

 

 
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