Anton Philipp Reclam

 

   

Lebenslauf in Worten


Anton Philipp Reclam wurde am 28. Juni 1807 als ältester Sohn des Verlegers und Buchhändlers Carl Heinrich Reclam in Leipzig geboren. Sein Vater entstammte einer in Berlin ansässigen Hugenottenfamilie. Anfang des 19. Jahrhunderts war er nach Leipzig übergesiedelt und hatte 1802 einen Verlag unter seinem deutschen Namen Carl Heinrich Reclam gegründet.

Bei seinem Onkel, dem Buchhändler und Verleger Friedrich Vieweg in Braunschweig, machte Anton Philipp Reclam 1823 eine Lehre. Bei Vieweg fand der junge Mann eine väterliche Aufnahme und die anregendste Thätigkeit, weil er einen mit Recht begründeten guten Ruf genoß. Hier entstand Reclams Neigung und Liebe zum Verlegerberuf und unternahm anschließend seine ersten eigenen unternehmerischen Schritte. 1828 erwarb er das "Literarische Museum" in Leipzig, wozu ihm der Vater eine große Summe geliehen hattete.

1837 verkaufte er das „Litterarische Museum“ und wandte sich unter der Firma „Philipp Reclam jr.“ dem ausschließlichen Verlagswesen zu. Sein Ziel sah er anfangs in der Veröffentlichung kritischer Schriften, deren Vertrieb in Österreich verboten war. Wegen der Veröffentlichung des religionskritischen Buches "Zeitalter der Vernunft" von Thomas Paynes wurde Anton Philipp Reclam sogar zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt. 1839 kaufte Reclam auch eine Druckerei. Der Verlag veröffentlichte die Bibel, das „Schmidtsche französisch-deutsche Wörterbuch“, in den Jahren 1842-1848 erschien „Oettinger’s Charivari“.

Nach dem Scheitern der Revolution änderte sich auch das Programm des jungen Verlages.  Mit der Zeit erschienen bei Reclam die lateinischen und griechischen, von Koch herausgegebenen „Klassikerausgaben“, Mühlmanns weitverbreitetes „Lateinisches Schulwörterbuch“, die eine hohe Auflage garantierten. Die entscheidende Wende fand in den Jahren 1858 und 1865 statt. Anton Philipp Reclam veröffentlichte eine Shakespeare-Gesamtausgabe zu einem Spottpreis von eineinhalb Talern, sieben Jahre später erschienen die Dramen als Einzelausgaben zu zwei Silbergroschen.

1867 trat ein neues Urheberrecht in Kraft: Nach dem Tod deutscher Autoren galt ab nun für ihre Werke eine Schutzfrist von 30 Jahren. Autoren, die vor 1837 verstorben waren, konnten damit allgemein und honorarfrei nachgedruckt werden. Reclam begann die Werke der Weltliteratur zu veröffentlichen und seine Universal-Bibliothek ins Leben zu rufen. Mit dieser Universalbibliothek stellte der Verlag von Anfang an vor sich die Aufgabe, die Werke großer Dichter und Denker durch einen niedrigen Preis allen Schichten des deutschen Volkes zugänglich zu machen.

Die gelben Heftchen wurden in ungezählten Millionen von Exemplaren verbreitet und waren auf der ganzen gebildeten Welt heimisch geworden. Der Erfolg dieses Unternehmens hatte seinesgleichen nicht. Keine der Konkurrenzausgaben konnte sich bezüglich der Popularität und des Umfanges mit ihm messen. Beinahe 50 Jahre lang konnte der von ihm kalkulierte Preis von zwei Groschen gehalten werden und beinahe ebenso lange blieb die Umschlaggestaltung die gleiche.

Reclam beschränkte sich nicht ausschließlich auf die Klassiker. Er zog alle wissenschaftlichen Disziplinen, alle populär-wissenschaftlichen Gebiete in das Unternehmen hinein und  machte es zu einer auf breitester Grundlage ruhenden Encyklopädie. So wirkte die Universalbibliothek auf die Verbreitung von Wissen und Bildung  ein, denn alles, was menschliches Wissen und Bildung an Lese- und Lehrstoff verlangten, fand seinen  Platz in Reclams Universalbibliothek.

Diese reiche und umfassende Tätigkeit führte einen bedeutenden Aufschwung des Geschäfts herbei und der enorme Erfolg der Shakespeare-Ausgabe übertrug sich auch auf die anderen Klassiker. Es waren unter anderen Schillers, Goethes, Lessings, Hauffs link* Werke. Der Erfolg war überraschend. Der erste Band, der in der Universal-Bibliothek erschien, war der erste Teil von Goethes „Faust“. 30.000 Exemplare wurden bereits im ersten Jahr verkauft.

Der Verlag brauchte mit der Zeit mehr Räume, Reclam entschloss sich zu einem Neubau größten Stiles. Seit dem Jahre 1887 dient dieses imposante Geschäftshaus den Zwecken der Weltfirma. Bis zu seinem Tode leitete Anton Philipp Reclam zusammen mit seinem einzigen Sohn Hans Heinrich das Geschäft. Fast siebzig Jahre hatte Reclam geschäftlich wirken können.  Er hinterließ ein auf den solidesten Grundlagen ruhendes Geschäft.

Als Anton Philipp Reclam   am 5. Januar 1896 mit 88 Jahren starb,  waren von seiner Universal-Bibliothek 3.470 Nummern erschienen. Bereits 1912 beschritt man neue, für das Medium Buch ungewöhnliche Vetriebswege. Reisende konnten sich an Automaten, die an Bahnhöfen gestellt waren, Reiselektüre kaufen. Die berühmten gelben Heftchen sind heute aus dem Schulalltag kaum noch wegzudenken.

Reclams Name ist ein Universalbegriff geworden. Universal ist auch die Bedeutung seiner Schöpfung, und sein Erbe und Sohn, Hans Heinrich Reclam, hatte eine schöne, aber ebenso schwere Aufgabe, diese Schöpfung des Vaters weiterzuführen und auszubauen. Heute ist Reclam mit seinem Stammsitz in Ditzingen bei Stuttgart ein Imperium. 1928 wurde eine Straße im Leipziger Stadtteil Reudnitz nach Anton Philipp Reclam benannt, in den 1990er Jahren erhielt ein Gymnasium der Messestadt den Namen des großen Verlegers.



Etwa vor 200 Jahren wurde in Leipzig der berühmte Verleger Anton Philipp Reclam geboren. Sein Leben war das Buch, sein Name ist Markenzeichen, seine Taschenbücher sind allgegenwärtig. Urenkel Heinrich wurde später sagen: "Er war ein einsamer und schroffer Mensch, dieser Anton Philipp Reclam. Ein unermüdlicher Arbeiter, aber ein unbequemer Vorgesetzter, der von seinen Leuten ebensoviel verlangte wie von sich selbst. Manch Liedlein hab ich von den alten Veteranen über ihn pfeifen hören."
 
 

Lebenslauf in Daten

28. Juni 1807 wird Anton Philipp Reclam in Leipzig geboren. Sein Vater Charles Henri hatte eine Lehre bei der Schulbuchhandlung Vieweg & Sohn in Braunschweig absolviert und sich nach der Heirat mit der Tochter des Buchhändlers Campe in Leipzig etabliert
1828 Der 21jährige Anton Philipp Reclam leiht sich 3.000 Taler von seinem Vater, kauft in Leipzig das Literarische Museum, eine Leihbibliothek mit Lesekabinett, und gründet einen eigenen Verlag.
1837 Anton Philipp nennt seinen Verlag um in Philipp Reclam jun.
1839 Reclam kauft eine eigene Druckerei.
vor 1848 Reclam kommt wegen seiner liberalen Anschauungen immer wieder mit der Obrigkeit in Konflikt.
1858 Eine preiswerte Shakespeare-Ausgabe erscheint, unmittelbarer Vorläufer der Universal-Bibliothek.
1867 Am 9. November tritt eine von der deutschen Bundesversammlung beschlossene Regelung in Kraft. Diese besagt, dass allen deutschen Autoren eine Schutzfrist für die Veröffentlichung ihrer Werke von 30 Jahren nach ihrem Tod gewährt wurde. Die wichtigsten deutschen Klassiker werden "gemeinfrei". Dies ermöglicht die Gründung der Universal-Bibliothek in Leipzig. Aufgrund des neuen Urheberrechts kann Reclam seine Taschenbücher zum sensationellen Preis von zwei Silbergroschen anbieten.
nach 1867 Die Universal-Bibliothek wurde in raschem Tempo ausgebaut: pro Jahr erschienen 140 Nummern - neben deutscher und europäischer Literatur auch antike Texte, philosophische Werke, Unterhaltungsliteratur, Gesetzesausgaben, Operntexte usw.
1877 Das erste Drama von Ibsen in der Universal-Bibliothek erscheint, bis 1893 siebzehn weitere.
1905 Der Verlag bezog einen repräsentativen Neubau im Leipziger Buchhändlerviertel. Die Druckerei verfügt über 42 Schnellpressen. Eine eigene Dampfmaschine versorgt das Haus mit Energie.
1908 Man feiert das Erschienen der Nummer 5.000. Der Umschlag der gebundenen UB-Ausgaben wurde von Peter Behrens neu gestaltet.
1912 Reclam setzt erstmals Verkaufs-Automaten ein. 1917 sind fast 2.000 von ihnen in Betrieb.
1917 Die erste Preiserhöhung der Universal-Bibliothek: Statt 20 kostet ein Bändchen jetzt 25 Pfennig. Fritz Helmuth Ehmcke entwirft einen neuen Umschlag für die Reihe. Nach 1920 Gegenwartsautoren kommen vermehrt in die UB (Arthur Schnitzler, Heinrich und Thomas Mann, Stefan Zweig, Ricarda Huch, Jakob Wassermann, Hugo von Hofmannsthal).
1923 In der Hochinflation kostet ein UB-Band 330 Milliarden Reichsmark.
1927 In Japan wurde nach dem Vorbild der Universal-Bibliothek die Iwanami-Bibliothek gegründet.
  1928 Thomas Mann hält die Festrede zum hundertjährigen Verlagsjubiläum.
nach 1933 Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gerät der Verlag unter Druck. Werke jüdischer oder politisch missliebiger Autoren müssen aus dem Programm genommen werden.
1943 Bei Bombenangriffen wurde das Verlagsgebäude schwer getroffen. 9.000 Zentner fertiger UB-Bändchen verwandeln sich in einer Nacht zu grauer Papierasche.
nach 1945 Demontagen und politische Einflussnahme der sowjetischen Besatzungsmacht erschweren zunehmend die Fortsetzung freier Verlagsarbeit in Leipzig. Ernst Reclam übersiedelt in den Westen. Das Leipziger Unternehmen wurde teilenteignet und als "Verlag mit staatlicher Beteiligung" weitergeführt.
1947 In Stuttgart wurde die Reclam Verlag GmbH gegründet. Der Wiederaufbau der UB beginnt mit acht Titeln für württembergische Schulen. Ein Grundbestand an klassischen Texten der deutschen und europäischen Literatur soll, insbesondere für die Schule, wieder verfügbar gemacht werden.
1959 Die Universal-Bibliothek umfasst wieder 1.000 Nummern, die Nachkriegsauflage beträgt bereits wieder 45 Millionen. Neben literarischen und philosophischen Werken erschienen Titel zu Musik und Kunst.
1967 Die Universal-Bibliothek wurde 100 Jahre alt. Über 1.100 Titel sind wieder lieferbar. Zunehmend orientiert sich die Universal-Bibliothek in Programm und editorischer Qualität an den Bedürfnissen der Universität.
1970 Die UB erhält ihr farbiges Markenzeichen: Sie erscheint im neuen gelben Outfit. Zweisprachige Ausgaben (orange) ergänzen das Programm.
1980 Bezug des neuen Verlags- und Druckereigebäudes in Ditzingen bei Stuttgart.
1983 Die ersten Bände der neuen roten Fremdsprachentexte erschienen.
1992 Der Leipziger Reclam Verlag wurde reprivatisiert. Aus der früheren Ost-UB wurde die "Reclam-Bibliothek Leipzig".
1999 Reclam eröffnet die Audio-CD-Reihe der "Reclam Hörbücher".
Das Museum für Gedankenloses widmet den originellsten von Schülern bemalten, bekritzelten, verun- und umgestalteten Umschlägen aus Bänden der Universal-Bibliothek die Ausstellung "Kaba und Liebe".
2001 In der Universal-Bibliothek erscheint die neue Reihe "Lektüreschlüssel für Schüler".
2003 Reclam beging sein 175-jähriges Verlagsjubiläum. Das Programm wurde neu strukturiert, das Erscheinungsbild erneuert und im Sinne eines corporate design vereinheitlicht.
2007 Der  Verlag feiert  den 200. Geburtstag von Anton Philipp Reclam.

   

 

 
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Концепция модуля разработана в ноябре 2009 года в рамках проекта " Виртуальная кафедра немецкой филологии"
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