Rainer Maria Rilke

 

       

Lebenslauf in Worten


René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke wurde am 4. Dezember 1875 in Prag geboren. Sein Vater Josef Rilke war Beamter in einer Prager Eisenbahngesellschaft. Die Mutter Sophie war Tochter eines Kaufmannes und Kaiserlichen Rats. Im Jahre 1882 besuchte Rilke eine von Piaristen geleitete Volksschule im vornehmsten Viertel von Prag. Seine Leistungen während seiner vier Jahre dauernden Schulzeit in der katholischen Klostereinrichtung waren sehr gut. 1885 ließ sie sich von ihrem Mann scheiden und zog in die Nähe des Kaiserlichen Hofes nach Wien. Ihren Sohn behandelte sie als Mädchen.

Seine ersten vier Schuljahre verbrachte Rilke auf einer katholischen Klosterschule in Prag. Er war ein guter Schüler, aber weil ein Gymnasium für die Mutter zu teuer war,  war er gezwungen, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Er kam auf eine Militärschule in Österreich. Auch hier hatte sich Rilke in den theoretischen Fächern sehr gut  angeschrieben. Die körperlichen Anforderungen und der raue Umgang der Mitschüler waren für den sensiblen Jungen eine schwere Belastung. 1890 wurde er, wie einige Jahre später auch Robert Musil, in die Militäroberrealschule nach Mährisch-Weißkirchen versetzt. Dort aber verschlechtert sich sein  Gesundheitszustand so sehr, dass Rilke 1891 die Militärakademie aus gesundheitlichen Gründen verlassen musste.

Auf Beschluss der Eltern kam René im Herbst 1891 auf die Handelsschule in Linz. In dieser Zeit veröffentlichte er sein erstes Gedicht in einer Zeitung und entschloss  sich für  Literatur. 1892 kehrte er für Privatstudien nach Prag zurück. Mit der finanziellen Unterstützung eines Onkels holte er in drei Jahren  seine Altersgenossen nach und bestand die Reifeprüfung 1895 "mit Auszeichnung". Darauf schrieb sich Rilke an der Prager Universität für die Fächer Geschichte, Kunst und Literatur ein. In demselben Jahr erschien sein erstes Bändchen mit 48 Gedichten unter dem Titel „Leben und Lieder. Bilder und Tagebuchblätter von René Maria Rilke“. Auch sein zweiter Gedichtband, „Larenopfer“, der die Prager Gedichte enthielt, erschien bald. 

1896 ging Rilke als Student der Philosophie nach München. Im folgenden Jahr lernte er die 36-jährige Lou Andreas-Salomé kennen. Sie war Tochter eines Petersburger Generals und einer Deutschen und hatte sich mit mehreren Büchern einen guten Ruf geschaffen. Lou war die Autorin der ersten Biografie Friedrich Nietzsches, mit dem sie eine enge Freundschaft verbunden hatte. Als Rilke sie traf, war sie verheiratet. In ihrem Verhältnisses mit dem jungen Dichter war sie für Rilke Geliebte, mütterliche Freundin und intellektuelle Lehrerin zugleich. Sie vermittelte ihm Nietzsches Gedankenwelt und begeistert ihn für Russland. Unter ihrem Einfluss änderte er  seinen Vornamen von René zu Rainer. Im Dezember 1898 reiste Rilke nach Norddeutschland und verbrachte einige Zeit als Gast des Prinzen Emil von Schönaich-Carolath auf dessen Gut Haseldorf. 

Gemeinsam mit dem Ehepaar Salomé bereiste Rilke 1899 zum ersten Mal Russland. In Moskau und St. Petersburg besichtigte er Museen und traf einige Maler und Schriftsteller (unter anderen Leo Tolstoi). Nach seiner Rückkehr verfasste Rilke Gedichte für das „Buch der Bilder“ und das „Stundenbuch“, er schrieb das Prosawerk "Geschichten vom Lieben Gott". In Berlin lebte Rilke in den Jahren 1898 und 1899 ganz in der Nähe Lous, zuerst in Wilmersdorf und danach in der 1910 abgerissenen „Villa Waldfrieden“ in Schmargendorf, in der er seine Novelle „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ schrieb, die 1906 erschien. 1900 fuhr er wieder nach Russland, diesmal mit Lou allein. Rilkes sah in Russland ein einfaches, ursprüngliches und unverdorbenes Land, in dem Glaube und Brüderlichkeit die Menschen zusammenhält. Die soziale Not dieses Landes bemerkte er nicht, obwohl er die Sprache einigermaßen beherrschte und von einer Russin begleitet wurde.

Bald nach der Heimkehr besuchte Rilke die Künstlerkolonie Worpswede link* bei Bremen. Er wollte dort gemeinsam mit dem Maler Heinrich Vogeler link* den Gedichtband "Mir zur Feier" fertig schreiben. Bei den dortigen Künstlern fand er schnell Resonanz und zog 1901 ganz in das Dorf. Er lernte die Bildhauerin Clara Westhoff link* kennen, eine ehemalige Schülerin von Rodin link*. Im April 1901 heirateten die beiden. Im selben Jahr kam die Tochter Ruth zur Welt. Aber bald beschlossen die beiden, sich in Freundschaft zu trennen. Die Künstler, mit denen er in der Moor- und Heidelandschaft lebte, stellte Rilke in der Monographie "Worpswede" dar.

Als Rilke erfuhr, dass ihn seine Prager Familie nur bis Mitte des Jahres 1902 finanziell unterstützen kann, begann er, sich um ein gesichertes Einkommen zu bemühen. Im Mai arbeitete Rilke für den Verlags Velhagen & Klasing und dessen Reihe „Künstler-Monographien“ an einer Darstellung über Worpswede, in der er die dortigen Künstler in fünf Essays präsentierte. Mit dem Auftrag, eine Monografie über den Bildhauer Rodin zu schreiben, begab sich Rilke 1902 nach Paris. Rodin war 35 Jahre älter als Rilke,  aber er  fand Zeit für den jungen deutschen Dichter, der noch Probleme mit dem Französischen hatte. 1906 kam es doch zu einem Bruch. Man versöhnte sich im nächsten Jahr, und Rilke wurde bis 1907 noch einmal Rodins Sekretär.

Paris  schenkte dem jungen Dichter schöne Museen, Parks und Boulevards, die ihm Motive für seine "Dinggedichte", wie "Das Karusell " oder "Archäischer Torso Apollos" gaben. Rilke veröffentlichte diese Eindrücke in den Bänden „Neue Gedichte“, darunter auch sein bekanntestes Gedicht „Der Panther“, und "Der neuen Gedichte anderer Teil". Das Elend des Großstadtlebens wurde zum Hauptmotiv des Romans "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge".

Während seiner Pariser Jahre reiste Rilke viel. Ab 1903 hielt er sich häufig in Italien auf. In dem Badeort Viareggio schrieb er das "Stundenbuch", von September 1903 bis Juni 1904 fuhr er nach Rom, und in den Jahren 1906 bis 1908 besuchte er Capri. Auch Schweden und Dänemark waren 1904 seine Ziele. Nach einem weiteren Rombesuch fuhr er an die Adria nach Duino. Dort empfing ihn die Fürstin Marie von Thurn und Taxis auf ihrem Schloss. Zwischen dem Dichter und der Dame entstand eine lebenslange Freundschaft, und 1912 entstanden die ersten zwei "Duineser Elegien". Im November 1910 begab sich  Rilke zusammen mit Freunden nach Nordafrika.  Sie durchquerten es von Algier über Tunis nach Kairo, um dann den Nil hoch bis hinter Luxor und Assuan zu fahren. Viel erfreulicher  war für Rilke die Fahrt nach Spanien im Jahre 1912. Auf den Spuren von El Greco besuchte Rilke Toledo und den Süden des Landes.

Auf dem Höhepunkt von Rilkes Schaffen brach 1914 der Erste Weltkrieg aus. Zwar verspürte Rilke, wie viele seiner Künstlerfreunde und -kollegen, eine anfängliche Begeisterung, die in den berühmten „Fünf Gesängen“ zum Ausdruck kam. Aber  bald änderte er seine Meinung. Rilkes Produktivität wuchs 1915, als er die „Vierte Duineser Elegie“ verfasste. Dem folgte aber eine Krise und Rilke ging in den Dienst der österreichischen Armee. Nach einer dreiwöchigen Drillzeit kam er im Januar 1916 in das österreichische Kriegsarchiv. Dank seiner einflussreichen Freundinnen und Freunde wurde er schon im Juli 1916 aus dem Militärdienst entlassen.

Als Rilke 1917 seine Wohnung in der Keferstraße aufgeben musste, dauerte es fast ein Jahr, bis er wieder eine eigene Wohnung findet. In der Zwischenzeit lebte er zunächst  in Westfalen, dann in Berlin und dann im Münchner Hotel Continental. Als er schließlich seine letzte Münchner Wohnung in der Schwabinger Ainmillerstraße bezog, war er fest entschlossen, die Stadt zu verlassen und eine geplante Vortragsreise in die Schweiz anzutreten. Als während der Münchner Revolution seine Wohnung wegen eines Briefes von Ernst Toller durchsucht wurde, war es der entscheidende Anlass für Rilke, München endgültig zu verlassen.

Der äußere Anlass für Rilkes Umzug in die Schweiz war die Einladung eines Lesezirkels zu einer Vortragsreise. Rilke nutzte diese Gelegenheit aus, um eine Zäsur zu machen.  Er als  der gebürtige Prager beantragte die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, die er 1920 erhielt. Er reiste viel, fuhr nach Venedig und Paris. Nach Deutschland kehrte er nicht zurück. Den Winter 1920/21 verbrachte Rilke in einem Schloss im Zürcher Weinland. Im folgenden Frühling findet er ein Heim in Turm des Château de Muzot, einem kleinen Schloss aus dem 13. Jahrhundert, das in vollkommener Abgeschiedenheit oberhalb von Sierre im schweizerischen Wallis lag. Der Turm wurde schnell renoviert und  der Dichter zog dort ein.

Im Februar 1922 verfasste Rilke zunächst 26 "Sonette an Orpheus", die sechs fehlenden „Duineser Elegien“ und weitere „Sonette an Orpheus“.  Die Bücher erschienen 1923 und bildeten den vielgerühmten Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens. In den folgenden Jahren blieb Muzot Rilkes Rückhalt. Dort verbrachte er eine glückliche Zeit. Er verfasste weitere Gedichte, teilweise in Französisch. 1925 verbrachte er noch einmal einen Frühling in Paris. Dort wurde er von André Gide link* und Paul Valéry link* gefeiert. Eine Krankheit, die Rilke schon seit 1923 immer wieder zu Aufenthalten im Sanatorium gezwungen hatte, forderte auch jetzt seine plötzliche Abfahrt.

Sein Zustand verschlimmerte sich 1926. Er blieb in der Schweiz und kam im Dezember in das Sanatorium von Val-Mont. Am 29. Dezember 1926 starb Rilke  mit nur 51 Jahren an Leukämie. Am 2. Januar 1927 wurde Rainer Maria Rilke auf eigenen Wunsch an der Bergkirche von Raron im Schweizer Kanton Wallis bestattet. Das Grab ist links und rechts von einer steinernen Einfassung umgeben. An der Kopfseite ist ein Gedenkstein in die Wand der Kirche eingelassen, davor trägt ein hölzernes Kreuz die Initialen R.M.R. und die Jahreszahlen 1875 und 1926. Die Gedenktafel trägt den von Rilke selbst gedichteten Grabesspruch: „Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern.“



Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

Die Kurtisane

Venedigs Sonne wird in meinem Haar 
ein Gold bereiten: aller Alchemie 
erlauchten Ausgang. Meine Brauen, die 
den Brücken gleichen, siehst du sie

hinführen ob der lautlosen Gefahr 
der Augen, die ein heimlicher Verkehr 
an die Kanäle schließt, so daß das Meer 
in ihnen steigt und fällt und wechselt. Wer

mich einmal sah, beneidet meinen Hund, 
weil sich auf ihm oft in zerstreuter Pause 
die Hand, die nie an keiner Glut verkohlt,

die unverwundbare, geschmückt, erholt -. 
Und Knaben, Hoffnungen aus altem Hause, 
gehen wie an Gift an meinem Mund zugrund.

Tränen, Tränen, die aus mir brechen
Paris, Spätherbst 1913

Tränen, Tränen, die aus mir brechen, 
Mein Tod, Mohr, Träger 
meines Herzens, halte mich schräger, 
daß sie abfließen. Ich will sprechen

Schwarzer, riesiger Herzhalter. 
Wenn ich auch spräche, 
glaubst du denn, dass das Schweigen bräche?

Wiege mich, Alter.

 
 

Lebenslauf in Daten

4. Dezember 1875 Rainer (eigentlich René) Maria Rilke wurde als Sohn des Eisenbahninspektors Josef Rilke und dessen Frau Phia (geb. Entz) in Prag geboren.
1886-1891 Militärschulzeit. Schon während seiner Schulzeit beginnt Rilke zu schreiben.
1894 Sein erster Gedichtband "Leben und Lieder" erscheint
1895 Abitur in Prag, wo er auch das Studium der Kunst- und Literaturgeschichte beginnt.
1896 Beginn seines Studiums der Philosophie an der Universität München. Bekanntschaft mit der Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé (1861-1937).
1897 Rilke folgt Andreas-Salomé nach Berlin. Er ändert seinen Vornamen René in Rainer.
1899 Rilke schreibt sich als Student der Kunstgeschichte an der Berliner Universität ein.
1899-1900 Mit Andreas-Salomé bereist er zweimal Rußland und betreibt Studien für eine geplante, aber nie geschriebene Monographie über russische Maler.
1900 Er verbringt den Sommer in der Künstlerkolonie in Worpswede. Dort lernt er die Bildhauerin Clara Westhoff (1875-1954) und die Malerin Paula Modersohn-Becker kennen.
1901 Trennung von Andreas-Salomé und Heirat mit Westhoff. Das Ehepaar zog nach Westerwede bei Worpswede. Geburt der einzigen Tocher Ruth.
1902 Mittellosigkeit zwingt Rilke zur Auflösung des Hausstandes und zur Übernahme monographischer Auftragsarbeiten. Reise nach Paris, wo er den Bildhauer Auguste Rodin kennenlernt. Der "Panther", das erste der "Neuen Gedichte", entsteht.
1903 Rilkes Monographie über Rodin erscheint in Berlin.
1903-1906 Seine Bekanntschaft mit Rodin sowie seine Reisen nach Paris, Rom und Skandinavien verändern Rilkes poetische Produktionsweise zugunsten eines "sachlichen Sagens".
1905 Das "Stunden-Buch" erscheint. Wiederaufnahme des Philosophiestudiums in Berlin bei Georg Simmel.
1906 Rilke ist für kurze Zeit Privatsekretär bei Rodin. Die zur Zeit der Jahrhundertwende entstandene und durch den Jugendstil beeinflußte "Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" erscheint.
1908 Zur Erinnerung an die 1907 verstorbene Modersohn-Becker schreibt Rilke das "Requiem für eine Freundin".
1910 Sein Tagebuchroman "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", an dem Rilke seit 1904 gearbeitet hatte, wurde veröffentlicht.
1912 Auf Schloss Duino bei Triest schreibt Rilke die ersten Elegien und "Das Marien-Leben". Gemeinsam mit Andreas-Salomé nahm er an einem psychologischen Kongreß in München teil, wo er Sigmund Freud kennenlernt.
1914 Zu Beginn des Ersten Weltkriegs schreibt Rilke fünf "Kriegsgesänge". Seine anfängliche Kriegsbegeisterung weicht der Erschütterung.
1915 Er wurde wehrdiensttauglich geschrieben und in Böhmen eingesetzt.
1916 Versetzung ins Kriegsarchiv nach Wien.
1918 Nach Kriegsende zog Rilke wieder nach München, wo er die Bekanntschaft von Hanns Eisler und Ernst Toller macht.
1919 Rilke verläßt Deutschland und wohnt an wechselnden Orten in der Schweiz. Er lernt dort Alexander von Jawlensky kennen.
1921 Er bezog das Schloß Muzot (Wallis).
1923 Die " Duineser Elegien" sowie "Die Sonette an Orpheus" erschienen.
1924-1926 Häufige Sanatoriumsaufenthalte in Val-Mont bei Montreux und Bad Ragaz wegen einer Erkrankung an Leukämie.
29. Dezember 1926 Rainer Maria Rilke stirbt in Val-Mont. Postum erschienen "Dichtungen des Michelangelo" sowie ein umfangreiches Briefwerk.

       

 

 
0 0

Концепция модуля разработана в ноябре 2009 года в рамках проекта " Виртуальная кафедра немецкой филологии"
2009-2011 А.Л.Сотникова, Л.И.Подгорная
cvsw.ru * 2011
Система Orphus