Rudolf Virchow

 

   

Lebenslauf in Worten


Rudolf Ludwig Karl Virchow wurde am 13. Oktober 1821 als Sohn des Landwirts und Stadtkämmerers Carl Virchow und dessen Frau Johanna im pommerschen Schivelbein (im heutigen Swidwin/Polen) geboren. Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen. Rudolf konnte aber 1839 auch nur mit einem Stipendium der Berliner Militärärztlichen Akademie Medizin studieren.

1843 promovierte Virchow, im darauffolgenden Jahr wurde er "Kompanie-Chirurg" und später Assistent von Robert Froriep link* - Prosektor an der Berliner Charité und dessen Nachfolger. 1846 legte Virchow sein Staatsexamen ab, 1847 habilitierte er sich und erhielt zugleich die Zulassung als Privatdozent. Im selben Jahr begründete er gemeinsam mit Benno Reinhardt link* das "Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin", das unter dem Kurztitel "Virchows Archiv" als zentrale Zeitschrift im Fach Pathologie bis heute erscheint.

1848 geriet Virchow in politische Schwierigkeiten. Im Auftrag der preußischen Regierung untersuchte er eine Fleckfieber-Epidemie in Oberschlesien. In seinem abschließenden Bericht wies er dem Staat und auch der Kirche eine Mitschuld an der Epidemie zu. Während der Märzrevolution 1848 link* kämpfte Rudolf Virchow auf Seiten der Demokraten. In demselben Jahr gründete er gemeinsam mit Rudolf Leubuscher link* die sozialpolitische Wochenschrift "Die medicinische Reform". In dieser Zeitschrift, die bereits nach einem Jahr eingestellt wurde, forderte Virchow erneut eine "öffentliche Gesundheitspflege".

1849 folgte Virchow einem Ruf nach Würzburg, wo er den ersten Lehrstuhl für Pathologische Anatomie in Deutschland übernahm, wobei er versprechen musste, sich nicht mehr politisch zu betätigen.

1850 heiratete er Rose Mayer, die Tochter des Begründers der modernen Gynäkologie Carl Mayer link*. Das Paar hatte sechs Kinder. 1852 ging Virchow erneut mit politischen Forderungen an die Öffentlichkeit: Nach einer im Auftrag der Württembergischen Regierung durchgeführten Untersuchung der Bevölkerung in den Elendsquartieren,  behauptete er, dass Bildung, Wohlstand und Freiheit Voraussetzung für die Gesundheit der Bevölkerung sind. 1856 ging Virchow nach Berlin, wo für ihn an der Berliner Universität der neue Lehrstuhl für Pathologische Anatomie geschaffen wurde.  Auf dem Charitégelände wurde ein Institutsneubau errichtet - das erste Berliner Pathologische Institut, welches er 46 Jahre lang leitete.

1858 erschien sein zentrales Werk "Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre". Bereits drei Jahre zuvor hatte Virchow in einem ersten Aufsatz mit dem Titel "Cellular - Pathologie" eine Überlegung skizziert, nach der die Zellen die kleinsten lebendigen Einheiten im menschlichen Körper bilden. Alle Krankheiten können, so Virchow, auf Veränderungen von Körperzellen zurückgeführt werden. Seine Zellularpathologie war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Heilkunde zu einer naturwissenschaftlich untermauerten modernen Medizin.

Von 1859 bis zu seinem Tod war Virchow Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung.  Hier setzte er sich für wichtige kommunalpolitische Projekte, wie zum Beispiel den Bau von Krankenhäusern, Markthallen oder einem hygienischen Schlachthof ein. Das wahrscheinlich wichtigste Projekt war die Planung einer modernen Kanalisation für die Stadt Berlin. 1861 gehörte Virchow zu den Mitbegründern der Deutschen Fortschrittspartei, die er ab 1862 im Preußischen Abgeordnetenhaus vertrat. Er gehörte zu den schärfsten Kritikern Bismarcks, der ihn 1865 sogar zum Duell forderte. Virchow lehnte einen Zweikampf aus prinzipiellen Gründen ab. Von 1880 bis 1893 war Rudolf Virchow Mitglied des Deutschen Reichstages, wo er sich besonders für den Aufbau einer staatlichen Gesundheitsfürsorge einsetzte.

Er gründete und leitete die Deutsche Anthroplogische und die Deutsche Pathologische Gesellschaft. Er besaß mehrfache Mitgliedschaften ausländischer Akademien und Gesellschaften, war vielfacher Ehrendoktor und 43. Ehrenbürger Berlins. Rudolf Virchow war an der Gründung mehrerer Berliner Museen beteiligt, so unter anderem des Ethnologischen Museums, des Märkischen Provinzialmuseums und des Völkerkundemuseums. Durch seine Vermittlung überließ Heinrich Schliemann seine trojanische Sammlung der Stadt Berlin. Rudolf Ludwig Karl Virchow verstarb am 5. September 1902 in Berlin.



"Virchow kommt sehr in die Höhe; wenn er auch äußerlich mit einer großen Menge von Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so repräsentiert er doch eine geistige Macht und Autorität, die ihm nicht mehr streitig gemacht werden kann. Ich bin erstaunt, was der Mensch zusammenarbeiten kann und wie er den Kopf für alle möglichen auseinanderliegenden Beobachtungen offen hat".

So charakterisierte der 25jährige Arzt Rudolf Leubuscher (1821-1861) seinen gleichaltrigen ehemaligen Kommilitonen Rudolf Virchow (1821-1902) in einem Brief vom 4. November 1846. Nahezu 56 Jahre später, am 6. September 1902, schrieb die englische Zeitung The Standard über den am Tag zuvor verstorbenen Virchow: "It is felt that the nation has lost its greatest man of science".

http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauervir.htm

 
 

Vichrow-Zitate

Die Freiheit ist nicht die Willkür, beliebig zu handeln, sondern die Fähigkeit, vernünftig zu handeln.

Akademische Freiheit ist die Freiheit, soviel lernen zu dürfen, wie man nur will.

Eine vernünftige Staatsverfassung muss das Recht des Einzelnen auf eine gesundheitsmäßige Existenz unzweifelhaft feststellen.

Soll die Schule irgend gedeihen, so muß sie ganz und ohne Rückhalt dem Clerus entzogen werden und an die Stelle pfäffischer Überlieferung ein freisinniger Unterricht treten, dessen Grundlage die positive Naturanschauung bildet.

Zwei Dinge pflegen den Fortschritt der Medizin aufzuhalten: Autoritäten und Systeme.

Die Ärzte sind die natürlichen Anwälte der Armen, und die soziale Frage fällt zu einem erheblichen Teil in ihre Jurisdiktion.

 
 

Lebenslauf in Daten

13. Oktober 1821 Rudolf Virchow wird im pommerschen Schivelbein (heute: Swidwin/Polen) als Kind des Fleischermeisters Carl Virchow und seiner Frau Johanna geboren. Die Familie verfügt nur über geringe finanzielle Mittel.
1839 Beginn des Studiums an der Berliner militärärztlichen Akademie, die begabte Studenten auf Staatskosten zu Heeresärzten ausbildet.
1843 Promotion in Medizin. Virchow erhält eine Assistentenstelle an der militärärztlichen Akademie.
1846 Nach Ablegung des medizinischen Staatsexamens ist Virchow als Pathologe an der Akademie tätig.
1847 Habilitation in Berlin.
1847-1902 Virchow gibt - bis 1852 gemeinsam mit dem Mediziner Benno Reinhardt - das "Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie" heraus (ab 1902: Virchows Archiv).
1848 Er untersucht im Auftrag der Regierung eine Typhusepidemie in Oberschlesien. Virchow fordert in seinem Bericht die "volle und unumschränkte Demokratie", ohne die es keinen Wohlstand und keine Gesundheit geben könne. Während der Märzrevolution kämpft er auf seiten der Demokraten in Berlin. In Berlin nimmt er im Oktober am Demokratischen Kongress teil.
1848/49 Virchow gibt die Zeitschrift "Medicinische Reform" heraus. Er gebraucht hier erstmalig den Begriff "Volksgesundheit" und fordert eine "öffentliche Gesundheitspflege".
1849 Aufgrund seines politischen Engagements verliert Virchow seine Stelle an der militärärztlichen Akademie. Wenige Monate später Berufung auf den Lehrstuhl für pathologische Anatomie in Würzburg, der 1845 als erster seiner Art in Deutschland eingerichtet worden war. Virchow hatte zuvor schriftlich versichert, sich nicht mehr radikal-politisch betätigen zu wollen.
1850 Heirat in Würzburg mit Rose Mayer, Tochter eines Geheimen Sanitätsrats. Aus der Ehe gehen sechs Kinder hervor.
1852 Im Auftrag der Württembergischen Regierung untersucht er den gesundheitlichen Zustand der Bevölkerung der Elendsquartiere im Spessart. Virchow fordert wiederum Bildung, Wohlstand und Freiheit als Voraussetzung für eine Gesunderhaltung und Heilung der Betroffenen.
1854-1867 Herausgabe des sechsbändigen "Handbuchs der speciellen Pathologie und Therapie".
1856 Berufung auf die für ihn geschaffene Professur an der Berliner Universität.
1858 Mit der Schrift "Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre" begründet Virchow eine neue naturwissenschaftliche Krankheitslehre. Nach dieser "Solidarlehre" können alle Krankheitszustände des Organismus auf krankhafte Veränderungen der Körperzellen zurückgeführt werden. Sie löst die jahrhundertealte "Humoralpathologie" ab, die Krankheit als eine Störung des Säftesystems (Blut, Schleim, Galle und Schwarzgalle) versteht.
1859-1902 Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Er setzt sich u.a. für den Bau von Krankenhäusern und für die Erhebung medizinischer Daten ein.
1861 Mitbegründer der liberalen Deutschen Fortschrittspartei.
1862-1867 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses für die Fortschrittspartei. Virchow fordert u.a. geringere Ausgaben für das Militär und den Ausbau der öffentlichen Sozialfürsorge. Auf seine Initiative erhält Berlin als eine der ersten europäischen Großstädte eine Kanalisation mit zentraler Wasserversorgung und -entsorgung.
1865 Nach einem besonders scharfen Rededuell fordert Otto von Bismarck Virchow zum Duell. Durch Vermittlung des Kriegsministers sieht Bismarck von seiner Forderung ab.
ab 1866 Herausgabe der von ihm gegründeten "Zeitschrift für Ethnologie".
1870-1871 Im Deutsch-Französischen Krieg ist Virchow für die Organisation des Fronteinsatzes von Lazarettzügen zuständig.
1872-1902 Vorsitzender der Rechnungskommission des Preußischen Landtags.
1880-1893 Mitglied des Deutschen Reichstags für die Fortschrittspartei, ab 1884 für die Deutsch-Freisinnige Partei. Er engagiert sich insbesondere für den Ausbau der staatlichen Gesundheitsfürsorge.
1886-1888 Mitbeteiligung an der Gründung des Ethnologischen Museums und des Völkerkundemuseums in Berlin
5. September 1902 Rudolf Virchow stirbt in Berlin

   

 

 
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Концепция модуля разработана в ноябре 2009 года в рамках проекта " Виртуальная кафедра немецкой филологии"
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