Walther von der Vogelweide

 

   

Lebenslauf in Worten

 

Walther von der Vogelweide wurde um 1170 im süddeutschen Tiroler Raum geboren, denn er hat in einem Gedicht geschrieben, dass er in Österreich das Singen und Dichten erlernt hätte. Vermutlich war er Sohn eines niederen Ritters, der auf einem Vogelweidhof wohnte. Zumindest war Österreich seine Jugendheimat, oder geistliche Heimat. Gedichtet hat er ab 1190 bis in die späten 20er Jahre des 13. Jahrhunderts. Walther von der Vogelweide musste ein paar Jahre nach seiner Geburt nach Wien zum  Erziehen und Ausbilden geschickt werden, da im elterlichen Hofe kein Platz mehr war.

Ende des 12. Jahrhunderts war er am Babenberger Hof. Sein erster Lehrer war Reinmar von Hagenau link* , der Hofsänger der Babenberger in Wien. Reinmar von Hagenau brachte ihm den Minnesang bei, außerdem wurde Walther vermutlich auch als Page erzogen. 1198 nahm er wegen Auseindandersetzungen mit seinem früheren Lehrer Reinmar von Hagenau Abschied von Wien. Für Walther begann ein Wanderleben, das ihn quer durch Mitteleuropa führte. 1203 wurde er urkundlich als Fahrender erwähnt, dem der Bischof von Passau 5 Goldstücke für einen Mantel schenkte. Er zog  von Hof zu Hof, sang für Unterkunft und Essen und hoffte ständig, dass er einen Patron finden würde, der ihn von seinem unsteten Leben befreien würde.  

Er verbrachte viel Zeit bei den Höfen von Kaisern und Königen, stattete aber auch den kleineren Fürsten und Herrschern einen Besuch ab. Walther bemerkte auf seinen Reisen, dass die harmonische Zuordnung von Natur und Gott nicht mehr vorhanden war. Nach seiner Ansicht nach war die Welt voller Hass und Neid. Seine Kritik an Menschen und Manieren brachte ihm viele Feinde. Zwischen 1205 und 1211 war er, vielleicht zusammen mit Wolfram von Eschenbach link*, am Hofe Hermanns von Thüringen. Nachdem er einige Zeit am Hof des als Mäzen berühmten Landgrafen Hermann von Thüringen link* verbracht hatte, geriet er in einen Streit mit dem Fürstengünstling Gerhard Atze und musste auch diesen Hof in Ungnade verlassen. Der Domherr und Verfasser der Tugendlehre «Der Welsche Gast» Thomasin von Zerclære befehdete ihn wegen seiner antiklerikalen Sprüche. Auch drei Jahre am Hofe von Dietrich von Meißen endeten im Zwist. Eine Zeit lang hielt er sich am Hof des Staufenkönigs Philipp auf, setzte sich für ihn mit seiner einzigen Waffe, Waffe des Wortes und Dichtens, ein. Dann zog er weiter.

Seine Leistung liegt darin, dass er in das Gedankengebilde des Minnesangs eine lebensnähere Note einbrachte. Nachdem sich in seinen ersten Liedern durchaus auch noch eine Lust am Leiden bemerkbar war, gelangte immer mehr die Forderung nach Gegenseitigkeit, nach Erfüllung der Sehnsucht in seine Lieder hinein. In seinen "Mädchenliedern" setzte er der unnahbaren Herrin die Erfüllung in der Liebe zu einem einfachen Mädchen entgegen. Damit distanzierte er sich auch deutlich von der damals üblichen Trennung zwischen hoher Minne und niederer Minne. Walther  sang vom dritten Weg der "ebenen Minne" als Ideal. In den so genannten Mädchenliedern ("Unter der linden" und "Nemt frowe disen kranz") entwickelte er  diese These ganz eindeutig. Walthers Ruhm gründet zu einem großen Teil auch auf seinen politischen Liedern. Er bezog immer wieder Stellung, mischte sich ein, und tat das auf seine sehr subjektive Weise. Man kann ihn mit Recht als "ersten Liedermacher" bezeichnen. Auch die religiösen Sprüche und Lieder beeindruckten durch ihre poetische Gestaltungskraft.

1213 stand er im Dienste des Welfenkönigs Otto. Er stritt gegen den Papst für den Kaiser. Der Papst wollte in jeder Kirche Opferstöcke aufstellen lassen, um Geld für einen Kreuzzug herbeizuschaffen. Walther aber glaubte, dass das Geld für einen anderen Zweck verwendet wurde. Als Otto militärisch und poltisch geschlagen war, stellte er sich nach 1210 auf die Seite des Staufenkönigs Friedrich II. link* . Das bedeutenste Ereignis für Walther von der Vogelweide fiel auf das Jahr 1220. In diesem Jahr bekam er von Friedrich ein Lehen in Franken verliehen. Endlich hatte Walther einen Herrn gefunden, der sich großzügig erwies und mit dessen Lohn er auch zufrieden war.

Der Dichter hat seine Heimat gefunden. Er war des Wanderlebens müde. Es ist nicht bekannt, dass Walther jemals Freunde gehabt hat. Bekannt aber ist seine Sehnsucht nach Wien, die ihn nie verlassen hatte. Er hat auch später Wien noch mehrmals besucht. Mit Elementen aus Tanzlied, Vagantendichtung link* und Pastorelle erweiterte Walther das Themen- und Formenspektrum und verschaffte dem Minnesang link* eine neue gesellschaftliche Reichweite. Als erster entwickelte er die Spruchdichtung zu einer höfischen Kunstform. Das eindruckvollste Zeugnis für seine Künstlerpersönlichkeit gibt sein Alterswerk ab, allem voran die so genannte "Elegie", die zu den bedeutendsten Texten der deutschen Literatur zählt. In dem Alterswerk verherrlichte Walther den Kreuzzug und trauerte um den Verfall der höfischen Sitte und Kultur sowie um den Niedergang des Stauferreiches. Er hinterließ 140 Sangspruchstrophen und rund 75 mehrstrophige Lieder.

Walther unternahm eine Pilgerfahrt nach Jerusalem und starb schließlich 1230 in Würzburg, wo man heute sein Denkmal sehen kann. 


Reichston (Erster Spruch)

Ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine,
dar ûf satzte ich den ellenbogen;
ich hete in mîne hant gesmogen
mîn kinne und ein mîn wange.
Dô dâhte ich mir vil ange,
wie man zer werlte solte leben:
Deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keinez niht verdurbe.
Diu zwei sind êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot;
das dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
Die wolte ich gerne in einen schrîn...

Under der linden

Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
Vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.

Ich kam gegangen
zuo der ouwe,
dô was mîn friedel komen ê.
Dâ wart ich enpfangen,
hêre frouwe,
daz ich bin sælic iemer mê.
Kuster mich? Wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht, wie rôt mir ist der munt...

 
 
 

***

»Nehmt, Herrin, diesen Kranz«, 
Sprach ich zu einer wunderfeinen Magd, 
»So zieret ihr den Tanz 
Mit diesem Blumenschmuck, wenn ihr ihn tragt! 
Hätt ich viel köstliche Gesteine, 
Sie wären all die euern; 
Laßt, Herrin, michs beteuern, 
Daß ich es treulich mit euch meine!

 Ihr seid so wohlgetan. 
Daß ich euch gern ein Kränzlein geben will. 
So gut ichs winden kann. 
Ich weiß viel Blumen stehn in Hüll und Füll, 
Wohl weiß und rot, fern in der Heide, 
Wo lieblich sie entspringen 
Bei muntrer Vöglein Singen: 
Da sollten wir sie brechen Beide!«

 
     

Lebenslauf in Daten

um 1170 Geburt
um 1190 am Babenberger Hof in Wien; Beginn seines Dichtens
1198 Tod seines Gönners Friedrich von Österreich auf dem Kreuzzug; der Nachfolger entzog Walther seine Gunst, sein Wanderleben begann (bis nach Nordfrankreich, in die Steiermark, Lombardei, Friaul); immer wieder am Hof der deutschen Könige und Kaiser; dazwischen mehrmals Rückkehr ins heimatliche Wien/Klosterneuburg
zwischen 1198 und 1201 mindestens einmal am Hof König Philipps von Schwaben
zwischen 1201 und 1207 zweimal auf der Wartburg bei Landgraf Hermann von Thüringen
1203 erste Rückkehr nach Wien
12.11.1203 urkundliche Bezeugung in einer Reiserechnung des Bischofs Wolfger von Passau
1212 im Dienst des Markgrafen Dietrich von Meißen
1212-1213 am Hof Kaiser Ottos IV.
1213-1229 immer wieder am Hof Kaiser Friedrichs II. 
1220 Verleihung eines Lehens durch Kaiser Friedrich II. in oder bei Würzburg
um 1230 Tod

     

 

 
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