Am 10. Januar 1858 wurde
Rudolf Heinrich Zille als Sohn des Uhrmachers und Grobschmiedes Johann Zill in Radeburg bei Dresden geboren. Der Vater saß immer wieder im Schuldturm, und 1867 flüchtete die verschuldete Familie vor ihren Gläubigern nach Berlin, wo der Vater erst 1869 Arbeit bei Siemens und Halske fand. Nach einer Ausbildung an der Königlichen Kunstschule, für die Heinrich Zille selbst aufkommen musste, verdiente er seinen Lebensunterhalt zunächst als Modezeichner und Gestalter von Werbemotiven.
1872 nahm Heinrich Zille eine Lehre aus Lithograph auf. Daneben ließ sich Heinrich Zille in Malerei und Illustration ausbilden. Nach dem Ende der Ausbildung bekam Heinrich Zille eine Gesellenstelle bei der "Photographischen Gesellschaft", bei der er 30 Jahre lang arbeitete. Hier wurden Gemälde dutzendweise kopiert, und Heinrich Zille war einer der Lithografen. Gleichzeitig übte er sich nach Feierabend im Akt- und Landschaftszeichnen.
1883 heiratete er Hulda Frieske, eine Lehrerstochter aus Fürstenwalde, mit der er drei Kinder hat. Er zog in eine Mietwohnung, wo er bis zu seinem Lebensende wohnte. Ein unauffälliges Leben ohne Skandale und Affären, in das er auch durch Selbstzeugnisse kaum Einblicke gewährte.
Etwa ab 1890 begann Heinrich Zille mit der ernsthaften Produktion seiner künstlerischen Arbeiten. Er schuf zahlreiche Zeichnungen und Radierungen zu unterschiedlichen sozialkritischen Themen. Ab 1894 nahm Heinrich Zille zahlreiche Fotografien mit Szenen aus den Berliner Straßen, von Volksfesten und aus den Ateliers befreundeter Künstler auf. Durch die Freundschaft mit Max Liebermann
link*, August Gaul
link* und Käthe Kollwitz
link* kam Heinrich Zille mit den Künstlern der Berliner Sezession in Kontakt, einer Künstlergruppe, die sich mit ihren Werken vom dominierenden akademischen Kunstbetrieb abgrenzte. Im Rahmen dieser Verbindung stellte er 1901 erstmals zehn eigene Zeichnungen aus.
Seine schonungslose Darstellung der sozialen Missstände kam allerdings weniger gut an. Zuvor hatte Kaiser Wilhelm II seine Zeichnungen ohnehin schon abwertend als "Rinnsteinkunst" bezeichnet. 1903 wurde er Mitglied dieser Künstlervereinigung und stellte seine Arbeiten regelmäßig aus. In dieser Zeit arbeitete Heinrich Zille vorwiegend als Zeichner für solche Ausgaben wie "Simplicissimus", die "Lustigen Blätter", "Jugend" und "Ulk". 1907 wurde Heinrich Zille aus der "Photographischen Gesellschaft" entlassen und lebte von dieser Zeit an als freier Künstler. 1910 erhielt Zille den Menzelpreis des Ullsteinverlages
link*.
1913 gründeten 40 Künstler, die aus der "Berliner Sezession" austraten, die Vereinigung "Freie Secession", Heinrich Zille wurde Vorstandsmitglied dieser Vereinigung. Der Ehrenpräsident wurde Max Liebermann, der wiederum dafür eintrat, dass Heinrich Zille 1924 in die Akademie der Künste aufgenommen und zum Professor ernannt wurde. 1913 erschien Zilles Bildband "Mein Milljöh", und die Zyklen "Berliner Luft" und "Hurengespräche", die Zille berühmt machten. Sein Zyklus "Hurengespräche" erschien unter dem Pseudonym W. Pfeifer. Schonungslos erzählte er in Bild und Wort fast pornografische Geschichten. Die preußisch-kaiserliche Zensur verbot das Werk in kurzer Zeit. 1925 wurde Zille für eines seiner Bilder sogar zu einer Geldstrafe von 150 Reichsmark verurteilt. In seinen Arbeiten zeigte Zille, den man oft „Pinselheinrich“ nannte, Themen aus dem Berliner „Milljöh“, das er liebevoll und sozialkritisch darstellte. Seine Figuren und Szenen stammten vornehmlich aus der sozialen Unterschicht, aus Randgruppen und den Berliner Mietskasernen.
Nach 1924 erschienen seine "Berliner Geschichten", Zille-Filme, solche wie "Die Verrufenen" und "Großstadtkinder", die Erfolg hatten. Zu seinen Arbeiten gehörten auch die Antikriegsblätter „Das Eiserne Kreuz“ und „Kriegsmarmelade“. Er begründete 1928 die Satirezeitschrift "Eulenspiegel" mit. Den Höhepunkt seiner Popularität erreichte Heinrich Zille mit der Ausstellung "Zilles Werdegang" im Märkischen Museum
link* Berlin, die zu seinem 70. Geburtstag realisiert wurde. Heinrich Zille war auch ausgezeichneter Fotograf. Seine Fotografien ähneln den Zeichnungen, dienten oft auch als Vorlage für spätere Skizzen. Mit seinem Apparat hatte er, wie mit seinem Zeichenstift, immer einen Blick auf das einfache, das arme Volk. Für seine Zeit fotografierte er in völlig neuer Weise: ungeschönt und ungestellt.
Er wurde berühmt. Plötzlich gab es Zille-Postkarten, Zille-Zigaretten, Zille-Kneipen. Ständig wurde der Zeichner von Reportern und Autogrammjäger belagert. Nächtelang schrieb Zille Autogramme, sogar auf Pappteller und aufgeweichte Bieruntersetzer. Der Trubel um seine Person und die zunehmende Vermarktung seiner Bilder wurde ihm langsam zu viel. Seine Frau war 1919 gestorben, und er fühlte sich allein und überfordert. 1929 hatte er zwei Schlaganfälle, litt an Altersdiabetes. Am 9. August 1929 starb er in seiner Wohnung. Auf dem Stahnsdorfer Waldfriedhof bekam er am 13. August ein Ehrenbegräbnis. 2000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit, darunter Käthe Kollwitz, Erich Mühsam
link* und der Oberbürgermeister Gustav Böß.
Mit dem Heinrich-Zille-Museum in Berlin wurde 2002 ein ständiger Ausstellungsort für "diesen Mann, der die reinste Inkarnation Berlins verkörpert", so Kurt Tucholsky, geschaffen. "Es tut weh, wenn man den Ernst als Witz verkaufen muss", sagte Heinrich Zille über seine Arbeiten. Zu oft fühlte sich der Künstler missverstanden. Und doch sind es gerade seine Zeichnungen mit den ironischen Sprüchen darunter, die nicht nur Berliner seit rund 100 Jahren schmunzeln lassen. 2008 feierte Berlin den 150. Geburtstag von "Vater Zille". Das Zille-Museum im Nikolaiviertel veranstaltete ein Festprogramm und ganz in der Nähe wurde am 10. Januar ein neues Zille-Denkmal eingeweiht.