Otto von Bismarck-Schönhausen, 1865 Graf Bismarck, 1871 Fürst Bismarck, 1890 Herzog von Lauenburg, wurde am 1. April 1815 in Schönhausen bei Stendal geboren. Er stammte aus einem altmärkischen uradligen Geschlecht und war Sohn des Gutsbesitzers Ferdinand von Bismarck und seiner dem höheren Bürgertum entstammenden Frau Wilhelmine. Im Jahr 1816 übersiedelte die junge Familie, ohne Gut Schönhausen aufzugeben, nach Gut Kniephof im Landkreis Naugard in Hinterpommern, wo Otto von Bismarck die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte. Vom Vater erbte Bismarck den Stolz auf seine Herkunft, von der Mutter bekam er nicht nur seinen scharfen Verstand, den Sinn für rationales Handeln und sprachliche Sensibilität mit, sondern auch den Wunsch, seinem Herkunftskreis zu entkommen. Bismarck hatte es seiner Mutter zu verdanken, dass er eine für einen Landedelmann untypische Bildung genoß. Ihre Söhne sollten nicht nur Junker sein, sondern in den Staatsdienst eintreten. Allerdings führte die strenge Erziehung der Mutter dazu, dass sich Bismarck, wie er später schrieb, in seinem Elternhaus nie wirklich heimisch fühlte. Während er der Mutter reserviert gegenüber stand, liebte er den Vater sehr.
Im Alter von sechs Jahren kam Bismarck auf Wunsch der Mutter in ein Berliner Internat, die Plamannsche Erziehungsanstalt *. Der Übergang vom kindlichen Spiel auf dem heimischen Hof zum von Zwang und Disziplin geprägten Internatsleben fiel Bismarck außerordentlich schwer. In dieser Zeit prägte sich deutlich sein Unwillen aus, Autoritäten anzuerkennen. Im Jahr 1827 wechselte Bismarck auf das Berliner Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, und ab 1830 besuchte er bis zum Abitur 1832 das humanistische Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster *. In der Schule zeigte er sich als ausgesprochen sprachbegabt, wenn auch nicht immer als fleißig.
Bismarck war Angehöriger der lutherischen Konfession. Den Religionsunterricht erhielt er von Friedrich Schleiermacher *, der den Sechzehnjährigen in der Berliner Dreifaltigkeitskirche auch konfirmierte. Da sich Bismarck zu dieser Zeit mit Religionsfragen hauptsächlich vom Verstand her befasste, sah er sich, von Hegel oder Spinoza *beeinflusst, eher als Deist *und Pantheist *als gläubigen Christen. Ein Atheist war er allerdings nie.
Nach dem Abitur nahm Bismarck das Studium der Rechtswissenschaften auf, zunächst an der Universität Göttingen. Es war kein Zufall, dass er sich der landsmannschaftlichen Studentenverbindung Corps Hannovera Göttingen * anschloss. Er verbrachte viel Zeit auf dem Fechtboden und beteiligte sich am trinkfreudigen Leben der Verbindung. Der einzige akademische Lehrer, der ihn beeindruckte und beeinflusste, war der Historiker Arnold Hermann Ludwig Heeren * , der in seinen Vorlesungen die Funktionsweise des internationalen Staatensystems skizzierte. Eine engere persönliche Beziehung baute er zu dem späteren amerikanischen Diplomaten John Lothrop Motley auf, der Zeit seines Lebens einer der wenigen persönlichen Freunde Bismarcks blieb.
1833 setzte Bismarck sein Studium an der Universität in Berlin fort und schloss es 1835 mit dem ersten Staatsexamen ab. Anschließend war er beim Berliner Stadtgericht tätig. Auf eigenen Wunsch wechselte er vom Justiz- in den Verwaltungsdienst über. Die nötigen Prüfungen absolvierte Bismarck erfolgreich. Als Regierungsreferendar *war er daraufhin bei Behörden in Aachen tätig. Der bürokratische Alltag langweilte Bismarck rasch. In Aachen suchte er Abwechslung in Liebesaffären und im Glücksspiel. Um Frauen zu imponieren, gab Otto von Bismarck mehr Geld aus, als ihm zur Verfügung stand, und als er sein Glück in Spielkasinos versuchte, vergrößerte er den Schuldenberg noch. Seinen Dienstgeschäften blieb er monatelang fern. Später versuchte er, seine Referendarszeit in Potsdam fortzusetzen, kehrte dem Staatsdienst aber nach einigen Monaten den Rücken.
Im Jahr 1838 leistete Bismarck als Freiwilliger seinen Militärdienst ab.
1839, nach dem Tod seiner Mutter, bezog Bismarck das pommersche Gut Kniephof und wurde Landwirt. Gemeinsam mit dem um fünf Jahre älteren Bruder Bernhard bewirtschaftete er die väterlichen Güter. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1845 übernahm Otto von Bismarck die Bewirtschaftung des Familienbesitzes Schönhausen. Bismarck erwarb schnell gute Kenntnisse in rationaler landwirtschaftlicher Betriebsführung. Er beschäftigte sich dabei intensiv, aber unsystematisch, mit Philosophie, Kunst, Religion und Literatur.
Im Jahr 1842 unternahm er eine Studienreise nach Frankreich, England und in die Schweiz. Die Unzufriedenheit mit seinem Dasein versuchte er mit Zechgelagen, zahlreichen Jagden und einem intensiven gesellschaftlichen Leben zu überdecken. Dies brachte ihm den Ruf des „tollen Bismarck“ ein. 1846 hielt Otto von Bismarck in einem berühmt gewordenen "Brautbrief" * an Heinrich von Puttkamer * um die Hand von dessen Tochter an. 1847 heiratete er Johanna von Puttkamer. Dieser Ehe entstammten drei Kinder.
Bismarcks politisches Wirken begann auf der Kommunalebene. 1847 wurde Bismarck Vertreter der Ritterschaft der Provinz Sachsen, Mitglied des Vereinigten Landtags *. Hier fiel Bismarck bereits bei seiner ersten Rede als konservativer Politiker auf. In der Judenfrage sprach er sich gegen die politische Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung aus. Die Leidenschaft des politischen Kampfes riss ihn hin. 1848 war Bismarck an der Gründung der „Neuen Preußischen Zeitung“ (wegen des Kreuzes auf dem Titelblatt auch „Kreuzzeitung“ genannt) beteiligt. Für das Blatt schrieb er zahlreiche Beiträge. Er war auch einer der Initiatoren des sogenannten Junkerparlaments *. Diese Aktivitäten führten dazu, dass die Konservativen um den König Bismarck immer mehr schätzten. Seine Hoffnung, nach der Gegenrevolution im November 1848 * mit einem Ministerposten belohnt zu werden, erfüllte sich jedoch nicht. 1849 wurde Bismarck aber in die zweite Kammer des preußischen Landtages gewählt. In dieser Zeit beschloss er, sich ganz der Politik zu widmen und zog mit seiner Familie nach Berlin.
Bismarck war damit einer der ersten Berufspolitiker in Preußen. Im Parlament trat er als Sprachrohr der Ultrakonservativen auf. Die nationale Frage war für ihn gegenüber der Sicherung der preußischen Macht zweitrangig. Seine Rede 1849 veränderte die Haltung interessierter politischer Kreise zu ihm. Er galt von dieser Zeit an wegen seiner abwägenden und flexiblen Argumentation auch in den eigenen konservativen Reihen nicht mehr nur als Scharfmacher. Trotz seiner Kritik am Projekt einer deutschen Union wurde Bismarck zum Mitglied des Volkshauses des Erfurter Unionsparlaments * gewählt und wurde dort Schriftführer. Er entwickelte sich in Erfurt zu einem der bedeutendsten Parlamentsredner der Zeit, dem auch der politische Gegner Aufmerksamkeit schenkte.
Obwohl Bismarck keine diplomatische Ausbildung besaß, wurde er 1851 zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt ernannt. Diese Ernennung wurde in der Öffentlichkeit als Zeichen für den Sieg der sozialen und politischen Reaktion sowie als Kapitulation Preußens gegenüber Österreich gewertet. Als Abgeordneter machte er deutlich, dass er noch immer ein Mann der Hochkonservativen war. Als Preußen und Österreich nach dem Ende der Unionspolitik zusammenarbeiteten, wollte sich Bismarck mit der Preußen zugedachten Rolle als Juniorpartner nicht abfinden. Ihm und letztlich auch der Regierung in Berlin ging es darum, die Anerkennung Preußens als gleichberechtigte Macht durchzusetzen. Nach der Niederlage Russlands im Krimkrieg * plädierte Bismarck in verschiedenen Denkschriften für eine Anlehnung an das Zarenreich und Frankreich, um so Österreich weiter zu schwächen. Im Lager der Konservativen galt er nun zunehmend als egoistischer Opportunist.
Nach der Übernahme der Regentschaft durch Prinz Wilhelm im Jahr 1857 verloren die Hochkonservativen an Einfluss. In der beginnenden Ära versuchte auch Bismarck, durch eine gewisse Distanzierung von den extremen Konservativen seine Position zu behaupten. In einer umfangreichen Denkschrift sprach er von einer „nationalen Mission“ Preußens und von einem Bündnis mit der national-liberalen Bewegung. Sein Ziel war es, den deutschen Nationalismus zur Stärkung der preußischen Macht dienstbar zu machen. 1859 wurde er nach St. Petersburg versetzt. In der neuen Funktion erweiterte Bismarck seine diplomatischen Kenntnisse und erfreute sich des Wohlwollens des russischen Hofes und des Kaiserpaares. Sein Ehrgeiz richtete sich aber zunehmend auf die höchsten Ämter im preußischen Staat. Die Hoffnung, 1862 zum Ministerpräsidenten ernannt zu werden, erfüllte sich nicht. Stattdessen wurde er Gesandter in Paris. In diese Zeit fiel die Liebesaffäre mit Fürstin Katharina Orlow, der Ehefrau des russischen Gesandten in Belgien. Es war die letzte private Eskapade Bismarcks, ehe er sich ausschließlich der Politik widmete.
1862 wurde das Parlament in Berlin aufgelöst und eine neue Regierung gebildet. Statt der gemäßigten Liberalen führten in dieser Regierung Konservative das Wort. Wilhelm I.* erwog in dieser Situation ernsthaft den Rücktritt zu Gunsten seines Sohnes. Man sah in der Ernennung Bismarcks zum Ministerpräsidenten die einzige Möglichkeit, den Thronwechsel zu verhindern. Bismarck kam nach Berlin, wurde vom König empfangen. Nach einer kurzen Aussprache wurde Bismarck von Wilhelm I. zum Ministerpräsidenten und Außenminister ernannt. Bismarck schuf die Grundlage für eine außergewöhnliche Vertrauensstellung beim König und verschaffte sich eine Blankovollmacht, die seinen Handlungsspielraum über das übliche Maß eines leitenden Ministers hinaus erweiterte. Zwar kam es in den nächsten Jahren immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten, doch hatten sie das Grundvertrauen des Königs zu Bismarck nicht beeinträchtigt. Bismarck wollte die Monarchie und den Obrigkeitsstaat ebenso erhalten wie die besondere Stellung von Militär und Adel. Erste Priorität hatte aber im Zweifelsfall die Macht des Staates.
Das erste Kabinett unter Bismarck bestand mehrheitlich aus zweitrangigen Persönlichkeiten. Vor diesem Hintergrund war Bismarck die alles entscheidende Persönlichkeit. Er versuchte anfangs, die Opposition nicht nur mit Drohungen, sondern auch mit Ausgleichsbemühungen zu neutralisieren. Oft wurde seine Aussage zitiert: „Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht. Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - sondern durch Eisen und Blut.“
Zu seinen zeitweiligen antiliberalen Plänen gehörte auch ein Bündnis mit der sozialdemokratischen Bewegung. Gegen hohe liberale Beamte ging er mit repressiven Mitteln bis hin zu Entlassungen vor. Gleichzeitig wurde die Pressefreiheit praktisch abgeschafft. Österreich sah Bismarck geschwächt und versuchte diese Situation zu nutzen, um eine Reform des Deutschen Bundes zu Gunsten der Habsburgermonarchie *durchzusetzen. Bismarck unternahm alles, um Österreich zu isolieren und zu provozieren. Die Unterstützung Italiens sicherte sich Bismarck durch einen befristeten Bündnisvertrag. Nachdem er erneut die Wahl eines direkt gewählten deutschen Parlaments ins Spiel gebracht hatte, um Österreich zu provozieren, löste er massive Kritik im Lager der preußischen Konservativen aus. Während Wilhelm I. und die Militärs darauf drängten, Wien zu erobern und Österreich harte Friedensbedingungen aufzuerlegen, setzte Bismarck gemäßigte Bedingungen durch, da er davon ausging, in Zukunft auf die Unterstützung der Habsburgermonarchie angewiesen zu sein. Im Prager Frieden 1866 brauchte Österreich keine Gebiete abzutreten, musste aber der Auflösung des Deutschen Bundes * und der Bildung eines Norddeutschen Bundes * unter preußischer Führung zustimmen. Der Sieg im Deutschen Krieg * bewirkte in der deutschen und preußischen Öffentlichkeit einen Wandel in der Beurteilung Bismarcks. Von den Zeitgenossen wurden die Umwälzungen als „Revolution von oben“ wahrgenommen. Bismarck selbst schrieb: „Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber machen als erleiden.“
Bismarck erwarb 1867 von der ihm wegen des erfolgreichen Deutschen Krieges bewilligten Dotation in Höhe von 400.000 Talern das Rittergut Varzin. Er ließ die Papierfabrik Hammermühle errichten, die sich bald zum größten Unternehmen Ostpommerns entwickeln sollte, sowie weitere Papierfabriken. Damit legte er den Grundstein für die Gemeinde Hammermühle, die heutige polnische Stadt Kępice.
Seit Oktober 1870 verhandelte Bismarck in Versailles mit den Delegationen der süddeutschen Länder. Bei den Verhandlungen verzichtete Bismarck auf direkten Druck und argumentierte stattdessen mit den Vorteilen eines solchen Zusammenschlusses. Als erste erklärten Baden und Hessen-Darmstadt ihren Beitritt zum Norddeutschen Bund. Württemberg und Bayern machten den Weg zur Gründung des Deutschen Reiches frei, nachdem ihnen Reservatsrechte zugebilligt worden waren. Nur mit Mühe gelang es ihm allerdings, König Wilhelm, der einen Bedeutungsverlust des preußischen Königtums befürchtete, zur Annahme des Kaisertitels zu bewegen. Am 18. Januar 1871 kam es im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zur „Kaiserproklamation“. Sie markierte die Gründung des Deutschen Kaiserreichs *. Wenige Tage später kapitulierte Paris. Der Deutsch-Französische Krieg * endete am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt. Das neue Kaiserreich übernahm die Verfassung des Norddeutschen Bundes. Als Reichskanzler, Vorsitzender des Bundesrates, preußischer Ministerpräsident und Außenminister blieb Bismarck der dominierende Politiker. Darüber hinaus konnte er auf sein ungeheures Prestige als Gründer des Reiches bauen.
Bismarck hatte damit den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreicht. Er wurde in den Fürstenstand erhoben und Wilhelm I. machte ihm den Sachsenwald in der Nähe Hamburgs zum Geschenk. Bismarck gehörte nunmehr zu den großen Grundbesitzern. Er erwarb ein ehemaliges Hotel in Friedrichsruh im Sachsenwald und ließ es umbauen. Nach 1871 wurde Friedrichsruh zum Mittelpunkt seines Privatlebens.
In den Jahren seiner Kanzlerschaft war Bismarck nicht nur psychisch belastet sondern auch körperlich stark angeschlagen. Er trank und aß im Überfluss, litt unter Krankheiten wie Rheuma, Venenentzündungen, Verdauungsstörungen, Hämorrhoiden und vor allem unter Schlaflosigkeit, hervorgerufen durch Völlerei. Neben dem Konsum von Alkohol und Tabak berichteten Zeitgenossen von der Einnahme von Morphium. Im privaten Leben Bismarcks spielte die Familie eine große Rolle. Aber auch in diesem Bereich setzte er stets seinen Willen durch. Als sein Sohn Herbert von Bismarck 1881 die geschiedene Fürstin Elisabeth zu Carolath-Beuthen heiraten wollte, verhinderte Bismarck es, indem er zuerst mit Enterbung, dann mit Selbstmord drohte.
Ein Grundziel von Bismarcks Außenpolitik blieb es, Frankreich zu schwächen. Um dies zu erreichen, bemühte er sich um gute Beziehungen zu Österreich und zu Russland. Ergebnis dieser Strategie war das Dreikaiserabkommen von 1873 * . Bismarck kam auch zu dem Schluss, dass für das Reich eine defensive Politik die einzig realistische Alternative sei. Bismarck entwickelte ein diplomatisches Konzept, das darauf abzielte, die Spannungen zwischen den Großmächten an die Peripherie zu verlagern, um so die Mitte Europas vor Kriegen zu bewahren. Innenpolitisch zerfiel seine Regierungszeit nach 1866 in zwei Phasen. Zunächst kam es zu einem Bündnis mit den gemäßigten Liberalen. In dieser Zeit gab es zahlreiche innenpolitische Reformen wie die Einführung der Zivilehe, wobei er Widerstand von katholischer Seite mit drastischen Maßnahmen bekämpfte ( "Kulturkampf")*. Nationalliberale und Bismarck stimmten in ihrer Gegnerschaft zu den ultramontanen Katholiken überein. Ab 1872 wurden im Rahmen des so genannten Kulturkampfes verschiedene Sondergesetze *gegen die Katholiken beschlossen, die wiederholt verschärft wurden. 1872 wurde in Preußen ein Schulaufsichtsgesetz erlassen, das die geistliche Orts- und Kreisschulaufsicht beseitigte und alle öffentlichen und privaten Unterrichtsanstalten der Aufsicht des Staates unterstellte. Wegen dieses Gesetzes kam es zum offenen Bruch zwischen Bismarck und den orthodox-protestantisch gesinnten Konservativen. 1872 nahm der Reichstag ein Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten an. Binnen sechs Monaten mussten die deutschen Niederlassungen der Jesuiten und der ihnen verwandten Orden aufgelöst werden; die ausländischen Mitglieder wurden ausgewiesen, während den deutschen Mitgliedern bestimmte Aufenthaltsorte verboten oder zugewiesen werden konnten. Die erlassenen vier Gesetze enthielten unter anderem folgende Bestimmungen: Die Ausübung eines geistlichen Amtes wird von der Staatsangehörigkeit und einem dreijährigen Studium an einer deutschen Universität abhängig gemacht. Außerdem mussten sich die künftigen Geistlichen einem vorgeschriebenen Kulturexamen in Philosophie, deutscher Literatur und Geschichte unterziehen. Priesterseminare wurden unter staatliche Aufsicht gestellt und Geistliche durften erst nach einer Anzeige bei den Staatsbehörden angestellt werden. 1874 trat in Preußen das Gesetz über die obligatorische Zivilehe in Kraft, das ein Jahr später auf das ganze Reich ausgedehnt wurde. Geistliche, die sich den staatlichen Vorschriften widersetzten, konnten des Landes verwiesen werden; staatliche Behörden übernahmen die Vermögensverwaltung unbesetzter Bistümer. Ferner mussten alle Orden und ihnen verwandten Kongregationen, mit Ausnahme der reinen Krankenpflegeorden, ihre Niederlassungen in Preußen auflösen. Aufgrund der Strafgesetze waren 1876 alle preußischen Bischöfe verhaftet oder ausgewiesen und fast ein Viertel aller Pfarreien unbesetzt.
Zwei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im Jahr 1878 dienten Bismarck als willkommener Anlass, mit einem Sozialistengesetz * gegen die Sozialistische Arbeiterpartei vorzugehen. Er wollte einen „Vernichtungskrieg führen durch Gesetzesvorlagen.“ Über den Kampf gegen die Sozialdemokratie hinaus, boten die Attentate für Bismarck aber auch die Gelegenheit, wieder in die politische Offensive zu gehen und zu neuen Mehrheiten zu kommen. Nach dem zweiten Attentat ließ Bismarck das Parlament auflösen. Im neuen Reichstag stimmten auch die Nationalliberalen dem Sozialistengesetz zu. Es blieb bis 1890 in Kraft. Dieses Ausnahmegesetz verbot die sozialistische Agitation, während die politische Arbeit der sozialdemokratischen Parlamentarier davon unberührt blieb.
1880 übernahm Bismarck das Amt des Handelsministers, das er bis 1890 bekleidete. Hauptziel von Bismarcks Sozialpolitik war, eine stärkere Staatsbindung zu erzeugen. Anstelle der ursprünglich geplanten Reichsanstalt setzte er später die Berufsgenossenschaften durch. Die Krankenversicherung wurde von der Selbstverwaltung der Arbeiter bestimmt. Die Alters- und Invalidenversicherung von 1889 wickelte er dann lediglich geschäftsmäßig ab. Bismarck gelang es, die preußischen Beamten auf eine bedingungslose Unterstützung der Regierungspolitik zu verpflichten. Mit der Sozialgesetzgebung legte Bismarck die Grundlage des modernen Sozialstaats.
Aus den Reichstagswahlen vom Februar 1887 ging das Regierungslager aus Konservativen und Nationalliberalen mit absoluter Mehrheit hervor. Bismarck besaß mit den so genannten Kartellparteien jene parlamentarische Mehrheit, die er in den vergangenen zehn Jahren angestrebt hatte. Er konnte jetzt seine militärpolitischen Pläne durchsetzen. Nach der kurzen Herrschaftszeit von Friedrich III. standen sich mit dem neuen Kaiser Wilhelm II. * und Bismarck zwei ungleiche Persönlichkeiten gegenüber. Bismarck hielt Wilhelm für unreif und wenig vorbereitet auf die Übernahme der Verantwortung. Für Wilhelm dagegen war Bismarck eine nicht mehr zeitgemäße Person und er machte deutlich, selbst politischen Einfluss nehmen zu wollen. Bismarck sah in der Verschärfung der innenpolitischen Lage eine Möglichkeit, den neuen Kaiser von seiner Unentbehrlichkeit zu überzeugen. Er brachte ein neues, verschärftes und unbefristetes Sozialistengesetz ein. Wilhelm, der seine Regierungszeit nicht mit einem solchen Konfliktkurs beginnen wollte, stellte sich den Plänen des Kanzlers entgegen. 1890 entzog Kaiser Wilhelm dem Kanzler endgültig die Unterstützung. Zwei Tage später überreichte Bismarck Wilhelm sein Entlassungsgesuch. Bereits einen Tag nach seinem Rücktritt verkündete Bismarck, seine Memoiren verfassen zu wollen. Die ersten beiden Bände erschienen 1898 und wurden zu einem sensationellen Erfolg. Der dritte Band wurde erst 1921 veröffentlicht.
Bald nach seiner Entlassung begann er eine Pressepolitik. Insbesondere die „Hamburger Nachrichten“ wurden zu seinem Sprachrohr. Bismarck attackierte vor allem seinen Nachfolger. Indirekt kritisierte er damit auch den Kaiser, dem er seine Entlassung nicht verziehen hatte. Die öffentliche Meinung wandte sich Bismarck verstärkt wieder zu, insbesondere nachdem Wilhelm II. begonnen hatte, ihn öffentlich anzugreifen. 1894 folgte eine äußerliche Aussöhnung mit Wilhelm II. 1895 lehnte der Reichstag einen Glückwunsch zum 80. Geburtstag Bismarcks ab, und bei seinen Gegnern galt er weiterhin als „Blut-und-Eisen“-Politiker. Der Tod seiner Frau im Jahr 1894 traf Bismarck tief. Ab 1896 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand immer deutlicher und er war schließlich auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Erkrankungen an Altersbrand und anderen Gebrechen, die er gegenüber der Öffentlichkeit und sogar gegenüber seiner Familie verschwieg, führten zu seinem Tod am 30. Juli 1898. Seine letzte Ruhestätte fand er neben seiner Frau in einem Mausoleum auf Friedrichsruh.
Noch zu seinen Lebzeiten setzte eine lang anhaltende, nahezu mythische Verehrung des „Eisernen Kanzlers“ ein. Zahlreiche Straßen wurden nach dem früheren Reichskanzler benannt. Auch Industrieunternehmen wie die Zeche "Graf Bismarck " trugen seinen Namen. Nach dem Reichsgründer wurden auch der Farbstoff Bismarckbraun, die Palmenart Bismarckia nobilis, eine Zubereitungsart von Heringsfilets (Bismarckhering), sowie während des Zweiten Weltkrieges das Typschiff der Bismarck-Klasse (Schlachtschiff "Bismarck") benannt. Vor allem in den deutschen Kolonien in Afrika und im Stillen Ozean erhielten geographische Orte Bismarcks Namen (Bismarck-Archipel, Bismarckgebirge, Bismarck-Gletscher, Bismarcksee, Bismarckberg, Bismarck-Straße, Bismarckburg). Auch in den Vereinigten Staaten wurden mehrere Siedlungen nach Bismarck benannt. Darunter befand sich bereits seit 1873 die heutige Hauptstadt des Bundesstaates North Dakota.
In Deutschland entstanden Bismarckgesellschaften. Nach seinem Tod wurden in zahlreichen Städten größtenteils durch Spenden finanzierte Bismarckdenkmäler errichtet, vielfach in Form von Bismarcktürmen. Das erste und einzige noch zu Lebzeiten Bismarcks errichtete Denkmal entstand im Jahr 1877 in Bad Kissingen, wo er seit 1874 mehrmals zur Kur weilte. Das größte Bismarck-Standbild in Deutschland ist das 1906 eingeweihte Bismarckdenkmal in Hamburg-Sankt Pauli. Auch in zahlreichen patriotischen Gedichten wurde der Reichskanzler gefeiert. Die Bundesrepublik Deutschland errichtete 1996 die Otto-von-Bismarck-Stiftung. Ihr Hauptziel ist die Erarbeitung einer neuen kritischen Ausgabe der Schriften Bismarcks. Daneben ist sie auch für die Dauerausstellung zu Bismarck in Friedrichsruh verantwortlich. Auch seine Studentenwohnung in Göttingen, das Bismarckhäuschen, ist als kleines Museum zugänglich. Das Bismarck-Museum in seinem Geburtsort Schönhausen, welches bis 1948 bereits bestand, wurde 1998 mit Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt wieder eingerichtet. Im selben Jahr entstand ein weiteres Bismarckmuseum in Bad Kissingen, wo Bismarck zwischen 1874 und 1893 zur Kur geweilt hatte. 2004 wurde in Jever ein weiteres Bismarckmuseum eröffnet.